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Gespräch mit Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer

 

IPV-Vorstand Dieter Joeres befragt den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Ingo Kramer zur Altersvorsorge.

Erstellt

15.12.2013

Joeres: Herr Kramer, wie verliefen die ersten Wochen in Ihrer neuen Funktion als Arbeitgeberpräsident? Was war Ihr größtes Problem bisher?

Kramer: Mein neues Amt macht mir Freude. Ich führe viele Gespräche mit Entscheidern aus Politik, Gewerkschaften und Verbänden. So kann ich viele für uns Arbeitgeber zentrale Fragen mitgestalten. Das ist eine Herausforderung, aber kein Problem.

Joeres: Was sind Ihre wichtigsten Anliegen bei der Fülle Ihrer Aufgaben?

Kramer: Es gibt eine ganze Reihe von wichtigen und drängenden Aufgaben. Bei mehreren Regierungsprojekten sehe ich derzeit die Gefahr, dass sie unserer Wettbewerbsfähigkeit schaden könnten. Wir müssen aufpassen, dass wir die erfreuliche Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt nicht durch die Rückabwicklung notwendiger und erfolgreicher Reformen sowie durch neue Bürokratie gefährden.

Joeres: Das Rentenpaket der Bundesregierung wird kontrovers diskutiert. In ihrer aktuellen Stellungnahme spricht die BDA sich strikt gegen die geplanten Änderungen wie beispielsweise eine abschlagsfreie Rente mit 63 aus. Welche generellen Gefahren sehen Sie hier, und worin begründet sich die „Verweigerung der Annahme“ des Rentenpakets?

Kramer: Wir lehnen das Rentenpaket der Regierung ab, weil es nicht solide finanzierbar ist. Es widerspricht ganz eklatant der Generationengerechtigkeit. Die Mehrbelastungen belaufen sich allein bis zum Jahr 2030 auf rund 160 Milliarden EUR. Das ist deutlich mehr als die Entlastung durch die Rente mit 67. Wir dürfen keine neuen Belastungen schaen, die auf Kosten künftiger Generationen gehen.

Joeres: Die abschlagsfreie Rente mit 63 stellt einen zentralen Punkt des Rentenpakets dar. Welche Auswirkungen befürchten Sie als Vertreter der deutschen Arbeitgeber, wenn altgediente Fachkräfte nun früher in den Ruhestand gehen?

Kramer: Die abschlagsfreie Rente mit 63 setzt einen völlig falschen arbeitsmarktpolitischen Anreiz. Wir brauchen ältere Fachkräfte dringend, um unsere Wirtschaftskraft zu erhalten. Die geplante Rente mit 63 sorgt jedoch dafür, dass bereits in diesem Jahr 200.000 Versicherte vorzeitig abschlagsfrei in Rente gehen können. Damit organisieren wir uns selbst eine unnötige Verschärfung des Fachkräftemangels. Darüber hinaus ist die abschlagsfreie Rente mit 63 sozial ungerecht. Sie begünstigt vor allem diejenigen, die eine ohnehin schon hohe Rente haben.

Joeres: Das Rentenpaket plant mit der Anhebung der Zurechnungszeiten auch die Erhöhung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente. Sieht die BDA in diesem Punkt ihre langjährige Forderung nach Verbesserungen in der Erwerbsminderungsrente als erfüllt an? Welche Maßnahmen wären gegebenenfalls noch notwendig?

Kramer: Die geplanten Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner sind grundsätzlich richtig. Dies hilft allen, die nicht bis zum vollen Rentenalter arbeiten können. Die Verlängerung der Zurechnungszeit sollte allerdings nicht in einem Schritt, sondern parallel zur Anhebung des gesetzlichen Rentenalters erfolgen.

Joeres: Ziel des Rentenreformpakets war es unter anderem, Erziehungsleistungen gleich zu bewerten. Dies lässt sich nicht finanzieren. Wie hätte eine gerechte Lösung aussehen können?

Kramer: Jede Stichtagsregelung, die bestimmte Personengruppen nanziell begünstigt, bewirkt automatisch einen Ausschluss von anderen Personengruppen. Das gilt auch für die Entscheidung des damaligen Gesetzgebers, für Geburten nach 1992 drei Kindererziehungsjahre anzuerkennen. Zudem war die Rentenreform von 1992 mit deutlichen Leistungskürzungen für die jüngere Generation verbunden, während die ältere Generation kaum belastet wurde. Von der Ausweitung der Mütterrenten protiert eine Rentnergeneration, die ohnehin schon ein deutlich höheres Rentenniveau hat, als die heute jungen Menschen es später haben werden.

 

Joeres: Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD wird von einer „Stärkung der betrieblichen Altersversorgung“ gesprochen. Welche Erwartungen knüpft die BDA an diese Aussage?

Kramer: Wir hoen, dass diesem wichtigen Bekenntnis auch Taten zum Abbau von Hemmnissen folgen, die bisher die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge bremsen. Wir erwarten bei der anstehenden Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie, dass die betriebliche Altersvorsorge nicht unnötig zusätzlich belastet wird.

Joeres: Halten Sie in diesem Zusammenhang die heutige Grenze in Höhe von vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (2.856 EUR jährlich im Jahr 2013) für die steuer- und sozial abgabenfreie Beitragszahlung in Direktversicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds noch für zeitgemäß?

Kramer: Die Ausweitung des steuer- und beitragsfreien Zuwendungsrahmens für diese Durchführungswege gehört zu den Kernanliegen unserer Verbesserungsvorschläge. Der bisherige Dotierungsrahmen wird in der Niedrigzinsphase dem gestiegenen Finanzierungsaufwand nicht mehr gerecht. Außerdem erschwert der enge Rahmen zunehmend die Umsetzung von Tarifverträgen, die Beiträge von Arbeitgebern und -nehmern vorsehen.

Joeres: Einige europäische Staaten, wie Dänemark und Großbritannien, zeigen mit Durchdringungsquoten von bis zu 85 Prozent die Wirksamkeit eines Opting-out-Obligatoriums auf, also einer automatischen Gewährung betrieblicher Altersversorgungsmaßnahmen für Neueingestellte. Wie positioniert sich die BDA zu Bestrebungen, derartige gesetzliche Regelungen auch in Deutschland einzuführen?

 

Kramer: Vergleiche mit dem Ausland sind schon aufgrund der höchst unterschiedlich ausgestalteten Alterssicherungssysteme nur bedingt möglich. In Deutschland sollte für Opting-out-Modelle weiterhin das Prinzip der Freiwilligkeit gelten. Ein staatlich angeordnetes Opting-out wäre mit gravierenden Nachteilen verbunden. Es würde die Unternehmen mit beträchtlichem Bürokratieaufwand und erheblichen Haftungsrisiken belasten, ohne dass dadurch ein nachhaltiger Verbreitungserfolg der betrieblichen Altersvorsorge gesichert wäre.

Joeres: Wie steht es mit der Bereitschaft der deutschen Arbeitgeber, betriebliche Opting-out-Lösungen anzubieten?

Kramer: Auf betrieblicher Ebene werden derzeit verschiedene Opting-out-Modelle erprobt. Die Erfahrungen werden zeigen, ob und unter welchen Rahmenbedingungen betriebliche Opting-out-Modelle sinnvoll und tragfähig sein können.

Joeres: Wie kann die betriebliche Altersversorgung aus Arbeitgebersicht gerade für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiver gestaltet werden?

Kramer: Kleine und mittelständische Unternehmen sind besonders auf einfache, verlässliche und haftungsarme Rahmenbedingungen angewiesen. Gerade hierfür müssen viele Regelungen deutlich vereinfacht werden, beispielsweise bei der Anpassungsprüfungspicht, beim Versorgungsausgleichsrecht oder bei der Abndung von Kleinstanwartschaften.

Joeres: Gehen Sie davon aus, dass mit der Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen auch die Altersvorsorgebereitschaft der Arbeitnehmer ansteigt?

Kramer: Daran zweie ich. Der Lohn für den ganz überwiegenden Teil der deutschen Arbeitnehmer liegt bereits über dem geplanten Mindestlohn von 8,50 EUR pro Stunde.

Joeres: Wie kann ein Arbeitgeber seine Beschäftigten dabei unterstützen, private Vorsorge für das Alter zu treen?

Kramer: Der Einuss der Arbeitgeber auf die private Altersvorsorge der Arbeitnehmer ist naturgemäß beschränkt. Aber in vielen Flächentarifverträgen wird für die Arbeitnehmer zu attraktiven Bedingungen die Möglichkeit der Entgeltumwandlung in überbetrieblichen Versorgungswerken angeboten. Gerade in der Niedrigzinsphase fallen die Kostenvorteile der betrieblichen Altersvorsorge besonders ins Gewicht. Im Übrigen bieten viele Arbeitgeber und zum Teil auch Branchen-Versorgungswerke attraktive Gruppenverträge für die private Altersvorsorge an.

Erstellt: 15.12.2013