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Gespräch mit dem Gesundheitspolitiker Jens Spahn

IPV-Vorstand Veit Oos befragt Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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Erstellt

15.12.2013

Oos: Die Bedeutung zusätzlicher Vorsorge für die Alterssicherung ist ja seit langem unbestritten. Brauchen wir nicht auch in der Kranken- und Pflegeversicherung zunehmend mehr private, kapitalgedeckte Vorsorge?

Spahn: In der letzten Regierung haben wir die private Vorsorge in der Pflegeversicherung gestärkt. Jeder kann schon mit kleinen Beträgen staatlich gefördert für den eigenen Pflegefall vorsorgen. Das Angebot wird sehr gut angenommen. Immer mehr sorgen fürs Alter vor, das ist eine gute Nachricht. Sicher ist es auch nicht falsch, für den Fall einer Krankheit vorzusorgen. Wichtig ist aber, dass sich jeder Versicherte unabhängig davon auf die gute Gesundheitsversorgung in Deutschland verlassen kann: Zugang zu Innovationen, flächendeckende und gute Versorgung. Das wird auch in Zukunft so bleiben.

Oos: Welche Rolle kann die betriebliche Krankenversicherung für die Stabilisierung der medizinischen Versorgung in unserer alternden Gesellschaft übernehmen?

Spahn: Die betriebliche Krankenversicherung kann die individuelle, auf die Belastung aus der konkreten Arbeitswelt bezogene Absicherung realisieren. Damit entsteht ein Mehrwert sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber.

Oos: Für die betriebliche Altersversorgung bestehen steuerliche Fördermechanismen, welche deren Verbreitung begünstigt. Können Sie sich auch eine steuerliche Förderung für die betriebliche Krankenversicherung vorstellen?

Spahn: Der Arbeitgeber finanziert bereits den allgemeinen Krankenversicherungsschutz jedes Arbeitnehmers mit. Da die betriebliche Krankenversicherung eine Zusatzversicherung ist, die im gegenseitigen Interesse liegt, sollte hier das gemeinsame Ziel vor einem finanziellen Anreiz liegen.

Oos: Wie ist es aus Ihrer Sicht um das deutsche Gesundheitswesen bestellt – gerade auch im internationalen Vergleich?

Spahn: Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der besten der Welt. Gerade im internationalen Vergleich stehen wir sehr gut da. Klar gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten, die wir ja auch angehen wie etwa bei den Wartezeiten auf einen Facharzttermin. Sie haben hier aber keine halbjährigen Wartelisten auf OPs wie etwa in Großbritannien.

Oos: Und wie sieht es auf dem deutschen Land aus?

Spahn: Ob auf dem Land oder in der Stadt, sie haben akzeptable Anfahrtswege zum nächsten Arzt oder Apotheker und Ihnen stehen als Patient in Deutschland neue medizinische Therapien schnell zur Verfügung. Und das alles im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich will, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Oos: Welche Bedeutung hat der Wettbewerb von gesetzlicher und privater Krankenversicherung für die medizinische Versorgung in Deutschland? Was versprechen Sie sich von der Stärkung der Beitragsautonomie der Krankenkassen?

Spahn: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Wettbewerb den Kassen gut tut. Heute gibt es Kassen, die eine Prämie ausschütten können, weil sie gut wirtschaften. Für den Versicherten bedeutet das, dass er schnell und einfach die Leistungen der Kassen vergleichen kann. Das wird so bleiben, denn es hat sich bewährt. Nur werden die Kassen künftig eben unterschiedlich hohe Beiträge verlangen. Die Privaten haben ihren Anteil am Wettbewerb. Allerdings stehen sie vor ganz anderen Herausforderungen als die gesetzlichen Kassen, etwa rasant steigende Beiträge im Alter. Das überfordert viele ihrer Versicherten. Aber auch hier glaube ich, sind wir auf einem guten Weg.

 

Oos: Radikale Umbrüche in der Krankenversicherung schließt der Koalitionsvertrag aus. Stehen wir vor einer Gesundheitspolitik der moderaten Schritte?

Spahn: Mit dem Koalitionsvertrag konnten wir endlich den Streit um die Finanzierung des Gesundheitssystems beenden. Die Bürgerversicherung ist kein Thema mehr und steigende Gesundheitskosten machen nicht automatisch Arbeit in Deutschland teurer. Das war ein wichtiger Schritt.

Oos: Und welche werden das sein?

Spahn: Die angestrebten Verbesserungen in der Pflege und die Verbesserungen für die Patienten in der täglichen Versorgung sind weitere. Dazu kommt, was wir uns im Bereich der Krankenhäuser vorgenommen haben: Die Finanzierung auf einesolide Grundlage stellen und mehr Transparenz sowie bessere Überprüfbarkeit der Qualität. Das sind alles andere als moderate Schritte aus meiner Sicht.

Oos: Die Koalition will die Qualität im Gesundheitssystem verbessern. Was sind da Ihre Leitlinien?

Spahn: Unsere Leitlinien sind mehr und bessere Daten, mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit über das Geschehene, und das möglichst auch sektorübergreifend. Schließlich ist es derselbe Patient, egal ob er beim Arzt oder im Krankenhausbehandelt wird. Hierzu werden wir ein neues Qualitätsinstitut gründen, das dauerhaft und unabhängig Entscheidungsgrundlagen anhand von Routinedaten für die Selbstverwaltung liefert. Darüber hinaus werden wir insbesondere die Qualitätsberichte der Krankenhäuser verständlicher für die Patientenentscheidung ausgestalten.

 

Oos: Sie sind Repräsentant der jungen Politikergeneration. Sie machen sich stark für die Generationengerechtigkeit und haben maßgeblich den Pflegevorsorgefonds durchgesetzt. Werden die Kapitalrücklagen der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) hinreichend sein und ist das Geld überhaupt sicher angelegt?

Spahn: Es werden jetzt jährlich 1,2 Milliarden zurückgelegt. Über die Jahre kommt da ein stattlicher Betrag zusammen. Ich gehe davon aus, dass sich damit starke Beitragserhöhungen in der Zeit ab 2035 abfedern lassen, wenn die Babyboomerjahrgänge ab 1959 in das Pflegealter kommen. Das Geld soll bei der Bundesbank angelegt werden und niemand zweifelt beispielsweise an der Sicherheit der Goldreserven. Also, ich bin da zuversichtlich und überzeugt, dass es sich hierbei um ein gutes Instrument handelt, die bestehenden Pflegeleistungen auch in Zukunft finanzierbar zu halten.

Oos: Pflegevorsorgefonds einerseits und andererseits weiten Sie gleichzeitig die Umlage in der Sozialen Pflegeversicherung durch eine Erhöhung der Beiträge aus. Wie passt das zusammen?

Spahn: Das passt sogar sehr gut zusammen. 2050 werden wir mehr als doppelt so viele Pflegebedürftige haben als heute. Gleichzeitig wird die Zahl der Beitragszahler wesentlich geringer sein. Auch die dann jungen Menschen sollen finanziell nicht überfordert werden, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Deshalb ist es nur logisch und richtig, dass wir heute einen Teil der Beiträge zurücklegen, damit diese in der Zukunft nicht übermäßig stark steigen, wenn wir selbst pflegebedürftig werden.

Erstellt: 15.12.2013