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Wahlprogramme der Parteien zur Gesundheits- und Rentenpolitik

Vortrag Alexander Gunkel - IPV-Akademie Jahrestagung 2017

 

Alexander Gunkel aus der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) arbeitete in seinem Beitrag die wesentlichen Standpunkte und Unterschiede der Gesundheits- und Rentenpolitik aus den Wahlprogrammen der großen Parteien heraus und unterzog sie dabei einer Bewertung durch die BDA.

Rentenniveau und Rentenbeiträge
 

Während die CDU/CSU an den Ergebnissen der Rentenreform mit einer Absenkung des Rentenniveaus bis 2030 auf bis zu 43 Prozent und eine Anhebung des Rentenbeitrages auf max. 22 Prozent festhält, möchte die SPD das Rentenniveau auf 48 Prozent stabilisieren und den Beitragssatz auf 22 Prozent begrenzen. Die Linke fordert eine sofortige Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent.

Aus Sicht der BDA ist ein Rentenniveau von 48 Prozent nicht notwendig, um die Renten zu stabilisieren. Nach dem Rentenversicherungsbericht 2016 sei zu erwarten, dass bis 2030 die Renten jedes Jahr im Schnitt um 2,1 Prozent steigen würden. Ein höheres Rentenniveau würde zu Lasten von Wachstum und Beschäftigung gehen. Pro zusätzlichem Prozentpunkt Beitragssatz sei langfristtg ein Beschäftigungsverlust von 90.000 Arbeitsplätze zu erwarten.

Die rentenpolitischen Vorschläge der SPD würde allein bis 2030 mehr als 100 Milliarden Euro kosten, die Vorschläge der Linken wären noch deutlich kostspieliger, so Gunkel.

Solidarrente – Garantierente

Die SPD möchte, dass grundsätzlich jeder, der mind. 35 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat, eine Solidarrente erhält, welche 10 % oberhalb des regionalen Grundsicherungsniveaus liegt. Die Linken fordern eine solidarische Mindestrente in Höhe von 1.050 Euro  aus Steuermitteln. Die Grünen wünschen sich eine steuerfinanzierte Garantierente ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Aus Sicht der BDA widersprechen diese Vorschläge dem geltenden Grundsatz, dass die Rentenhöhe sich an der Summe der gezahlten Beiträge bemisst. Auch hier gäbe es direkte Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung.

Mütterrente

Während CDU und die SPD mit der erfolgten Besserstellung der Mütter keine weiteren Notwendigkeiten einer erneuten Anpassung sehen, möchten CSU, AFD und Die Linken eine weitere Besserstellung erreichen.

Aus Sicht von Gunkel werden Erziehungszeiten bereits heute in erheblichem Umfang rentensteigernd berücksichtigt. Die von CSU und Linken geforderte weitere Erhöhung von sog. Mütterrenten würde jährlich mindestens 6 Milliarden Euro kosten.

Rentenalter und Hinzuverdienstgrenze

Während Die Linken einen abschlagsfreien Rentenbezug mit 65 fordern, plädiert die AFD für einen Rentenbezug ohne Kürzung nach 45 Lebensarbeitsjahren. Die FDP wünsche sich einen flexiblen Renteneintritt ab 60 mit entsprechenden Zu- und Abschlägen. Sowohl die FDP als auch die AFD fordern die Streichung der Hinzuverdienstgrenzen.

Besonders die Ausweitung oder Streichung der Hinzuverdienstgrenzen sei im Sinne der BDA. „Rente heißt nicht, nicht mehr arbeiten zu dürfen“ so Gunkel. Die beschlossene Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre müsse jetzt konsequent umgesetzt werden. Langfristig dürfe eine weitere Erhöhung des Rentenalters kein Tabu sein.

Bürgerversicherung und Versorgung von Selbstständigen

Die Linken und die SPD fordern eine Erwerbstätigenversicherung, zu der die SPD alle Selbstständigen verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen will. Die Grünen möchten hier explizit auch die Beamten, Abgeordneten und Langzeitarbeitslosen einbeziehen. Die FDP fordert ebenfalls eine Pflicht zur Altersversorgung für Selbstständige, möchte aber die Freiheit einräumen, die Vorsorgeform frei zu wählen.

Die BDA betrachtet eine Vorsorgepflicht als sinnvoll. Sie spricht sich aber gegen eine zwangsweise Einbeziehung der gesetzlichen Rentenversicherung aus, schon weil kurzfristigen Beitragsmehreinnahmen langfristig zusätzliche Belastungen aus dem demographischen Wandel gegenüber stehen würden.

Erwerbsminderungsrente

Alle Parteien sind bestrebt, die Erwerbsminderungsrenten auf ein besseres Niveau zu heben. Die BDA verweist auf die erst kürzlich beschlossenen deutlichen Leistungsverbesserungen in diesem Bereich.

Private und betriebliche Altersversorgung

Hier gehen die Vorschläge der Parteien zum Teil weit auseinander. Während die Grünen eine Entgeltumwandlung ablehnen und einen Bürgerfonds unter öffentlicher Verwaltung einrichten möchten, fordert die FDP bessere Rahmenbedingungen für die bAV zur Attraktivitätssteigerung, damit die bAV nicht im Obligatorium (Erwägung der SPD) endet.

Auch die BDA sieht noch deutlichen Bedarf zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der bAV. Insbesondere müssten Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen in vollem Umfang steuerlich anerkannt werden.

Paritätische Beitragssätze in der Krankenversicherung

SPD, Linke, Die Grünen und die AfD möchten eine Rückkehr zu paritätischen Beitragssätzen in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Hier spricht Gunkel sich im Namen der BDA vehement dagegen aus. Allein durch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall würden die AG sich schon heute überproportional an den Krankheitskosten beteiligen. Eine Rückkehr zu einem paritätischen Beitragssatz hätte nach einer Studie der Prognos AG einen langfristigen Beschäftigungsverlust von rund 130.000 Arbeitsplätzen zur Folge.

Bürgerversicherung

Während die CDU/CSU am dualen System festhalten möchte, präferiert die FDP sogar eine Ausweitung auf ein generelles Wahlrecht aller Versicherten zwischen der PKV und der GKV. Die SPD möchte langfristig gesehen einen Wechsel zu einer Bürgerversicherung mit einer Wechseloption für bisherig privat Versicherter. Die Grünen und die Linken sehen keine Zukunft für die private Krankenvollversicherung.

Für die BDA ist das duale System bewährt und gut. Es wäre ein großer Fehler, die PKV aufzugeben, obwohl sie aufgrund der hohen gebildeten Altersrückstellungen sehr viel besser auf die demografische Entwicklung vorbereitet sei als die ausschließlich im Umlageverfahren finanzierte GKV.

Pflegeversicherung

Alle Parteien sehen den Bedarf, diesen Sektor nachhaltig besser zu stellen. Die Spannbreite reicht von der Modernisierung der Ausbildung (CDU), Verminderung der Bürokratie (FDP) über eine verbesserte Personalbemessung (Linke, AfD, Grüne) bis hin zur Aufstockung der Pflegeversicherung zur Vollversicherung inkl. einer Anhebung des Mindestlohnes auf 14,50 Euro (Linke).

Für die BDA ist die Ausweitung zu einer Vollversicherung unfinanzierbar. Auch bei der künftigen Ausrichtung der Pflegeversicherung müsse im Auge behalten werden, dass die Unternehmen nicht übermäßig durch Beiträge belastet werden. Zu berücksichtigen sei zudem, dass es durch die Pflegereformen in der abgelaufenen Legislaturperiode zu erheblichen Leistungsverbesserungen gekommen sei, so Gunkel.

Fazit

Gunkel resümiert in seinem Fazit, dass die Sozialversicherung einem stetigen Wandel unterliegt und dem Druck der Herausforderungen durch den demographischen Wandel ausgesetzt ist. Aus Sicht der BDA fehlen den Parteien insgesamt aber Antworten bei der Frage der langfristigen Finanzierbarkeit der Sozialversicherung. Schon heute würde Deutschland bei der Gesamtabgabenbelastung des Faktors Arbeit zusammen mit Belgien die Spitze bilden. Selbst ohne gesetzliche Änderungen sei bis 2040 mit einem Beitragssatzanstieg auf knapp 50 % zu rechnen. Würde man das aktuelle Rentenniveau festschreiben und eine dynamische Kostenentwicklung bei Gesundheit und Pflege draufschlagen, würde man sogar bei 55,5 Prozent landen (laut einer Berechnung der Prognos AG). Diese Belastung wäre für alle Beteiligten nicht zu schultern.

Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, BDA e.V.
Alexander Gunkel, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)