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Arbeiten im Alter – Arbeitsfähigkeit im Alter? Demographic Leadership für lebenslange Leistungsfähigkeit

Vortrag von Prof. Dr. Sven C. Voelpel - Jahrestagung der IPV-Akademie 2017

Älter werden bedeutet einen Abbau der physischen, emotionalen sowie mentalen Fähigkeiten.

„Wer von uns möchte nicht lebenslang leistungsfähig bleiben?“  Mit dieser rhetorischen Frage begann Prof. Dr. Sven C. Voelpel von der Jacobs Universität in Bremen seinen engagierten Vortrag, in dessen Verlauf er die Teilnehmer der Jahrestagung immer tiefer in die Prozesse des körperlichen und geistigen Alterns einführte und Strategien zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit im Alter aufzeigte.

Abbau: Die grausame Wahrheit

Älter werden bedeutet einen Abbau der physischen, emotionalen sowie mentalen Fähigkeiten. Davon bleibt keiner verschont, auch Prof. Dr. Voelpel outet sich als 43 jähriger als bereits „auf dem absteigenden Ast“ befindlich. Der physische Abbau beginnt ab dem 40. Lebensjahr und lässt sich in Bereichen wie Nervenleitgeschwindigkeit, Nierenfunktion, Herzkreislauffunktionen, Muskelstärke, Lungenvolumen und Atemgrenzwert auch messbar erfassen. Alle Funktionen nehmen im Altersverlauf ab, teilweise auf unter 50 Prozent ihres Ausgangswertes. Der mentale Abbau setzt noch früher ein, bereits ab Alter 30 nehmen Fähigkeiten wie Wahrnehmungsgeschwindigkeit, räumliches Vorstellungsvermögen, induktives Denken und verbales Gedächtnis signifikant ab. Dem gegenüber steht erfreulicherweise eine Zunahme und anschließende Verstetigung der verbalen und numerischen Fähigkeiten.

Fitness: Die gute Nachricht

Nach den ernüchternden Botschaften des Alterungsprozesses konnte Prof. Dr. Voelpel den Zuhörern  aber auch Hoffnung machen: Jeder kann seinen Alterungsprozess positiv beeinflussen. Sowohl soziale Kontakte als auch insbesondere die Kombination aus  körperlicher und geistiger Aktivität regen die Zellenneubildung an. Eine Langzeitstudie der Jacobs Universität hat gezeigt, dass bei älteren Menschen durch regelmäßige Bewegung und Koordinationsübungen Intelligenz, Reaktionsfähigkeit und Präzision messbar steigen. Am Beispiel der Handkraftmessung beim Händedruck und deren breiten Streuung der Verteilung über alle Altersgruppen kam Prof. Dr. Voelpel zu der Aussage, dass „unser Alter eigentlich irrelevant ist, sondern relavant ist, in welchem Zustand wir sind.“ Und den Zustand kann man durch mentale, phyische und emotionale Fitnessübungen günstig beeinflussen.

Wettlauf: Digitalisierung versus Demografie

Die Digitalisierung verändert die Arbeitsplätze der Zukunft und entlastet über intelligente Maschinen die körperliche Arbeit. In diesen Kontext setzt Prof. Dr. Voelpel den prognostizierten Rückgang von 14,5 Millionen verfügbaren Arbeitskräften bis 2014 in Deutschland. Sollte sich die Produktivitätssteigerung mit 3 % im gleichen Maße weiterentwickeln wie in den letzten 40 Jahren, dann bräuchte man für die Bereitstellung der gleichen Menge an Dienstleistungen und Produkte in 2040 nur 22 Millionen Arbeitskräfte. Trifft dies ein, würden uns in 2040 nicht 14,5 Millionen Arbeitskräfte fehlen, sondern 8 Millionen Arbeitskräfte zu viel vorhanden sein. So plädierte Voelpel sowohl für eine Rente mit 100 Jahren als auch für eine Rente mit 50. Für die Rente mit 100 spricht, dass die Arbeitskräfte sich bis in dieses Alter durch regelmäßige Aktivitäten fit und leistungsfähig halten können und es daher keinen Grund gibt, zwangsweise bereits mit 67 Jahren in den Ruhestand zu gehen.  Für die Rente mit 50 spricht, dass wir aufgrund der Produktivitätssteigerungen  nicht mehr länger arbeiten müssen. Anhand vielfältiger Beispiele verdeutlichte Prof. Dr. Voelpel den Wandel und den Einfluss von Digitalisierung auf unser berufliches und privates Umfeld.

Relevanz für Unternehmen

Aus der Forschungsarbeit an der Jacobs Universität können verschiedene Aussagen und Handlungsempfehlungen für die Arbeitswelt, Unternehmen und Mitarbeiterführung abgeleitet werden.

Diversity (Verschiedenartigkeit von Mitarbeitergruppen)

Eine hohe Diversität in Mitarbeitergruppen kann sowohl emotionale wie auch kognitive Konflikte auslösen. Emotionale Konflikte führen meist zu einer schlechten Kooperation und damit zu einer verminderten Leistung und Innovation. Kognitive Konflikte andererseits erhöhen durch die Verschiedenartigkeit der Mitarbeiter das vorhandene Wissen und steigern die Leistung und Innovationskraft. Für einfache Aufgaben wie Fließbandarbeit sind somit homogene Gruppen zu empfehlen, damit emotionale Konflikte minimiert werden. Für komplexe Aufgabenbereiche wie z.B. Forschung und Entwicklung oder Beratung empfiehlt Voelpel eine hohe Diversität im Team. Gutes Führungsverhalten ist die Schlüsseldeterminante, um die positiven Effekte von Diversity zum Vorschein zu bringen.

Positives Priming (positive Beeinflussung)

Eine erstaunliche Wirkung auf Kreativität und geistige sowie körperliche Leistung hat ein positives Priming. Ähnlich wie bei dem Placebo-Effekt aus der Medizin, kann man durch eine rein verbale positive Beeinflussung im Vorfeld einer Tätigkeit deren Ergebnis bis zu 4fach verbessern. Verschiedene Studien belegen diesen Effekt und legen damit nahe, als Führungskraft den Fokus bei der Kommunikation mit Mitarbeitern auf deren Stärken zu legen und nicht auf deren Schwächen. Damit lässt sich gerade die Wahrnehmung im Zusammenhang von Alter und Leistungsfähigkeit verbessern. Mit der Aussage „Positiv Priming wirkt extrem stark, wir gestalten durch unsere mentale Einstellung tatsächlich die Realität“, endete Prof. Dr. Voelpel seinen facettenreichen Vortrag.

Prof. Dr. Sven Voelpel
Prof. Dr. Sven C. Voelpel Professor of Business Administration, Department of Economics & Management, Jacobs University, Gründungsdirektor WDN – WISE Demografie Netzwerk
„Wer von uns möchte nicht lebenslang leistungsfähig bleiben?“