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Die Rettung der Schulden durch die EZB und die deutsche Altersvorsorge

Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn - Jahrestagung der IPV-Akademie 2016

Wie wirken sich die Griechenland-Rettung und alle Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf den deutschen Steuerzahler und die Altersversorgung aus? Dieses spannende Thema behandelte der langjährige Präsident des Ifo-Instituts, Prof. Hans-Werner Sinn.

Wie wirken sich die Griechenland-Rettung und alle Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf den deutschen Steuerzahler und die Altersversorgung aus? Dieses spannende Thema behandelte der langjährige Präsident des Ifo-Instituts, Prof. Hans-Werner Sinn, in seinem lebendigen Vortrag auf der 8. Jahrestagung der IPV-Akademie.

Gleich zu Beginn stellte Prof. Sinn fest, dass die Lasten „wir alle“, also die Steuerzahler, zu tragen hätten. Die Maßnahmen, die dazu führen, seien so verschachtelt und verworren, dass es nicht leicht sei, diese zu durchschauen. Mit seinem Vortrag wolle er versuchen die Zuhörer davon zu überzeugen, dass es teuer wird.

Alles habe mit dem Euro und dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder zu tun, so die These von Prof. Sinn. Im Folgenden erläuterte der Finanzwissenschaftler das Zustandekommen der Eurokrise anhand von wirtschaftlichen Kennzahlen. Mit der Einführung des Euro seien die Zinsen zusammengeschrumpft. Die Zinsunterschiede zwischen den zukünftigen Euroteilnehmerstaaten seien verschwunden. Die Zinsvorteile der südlichen Staaten seien allerdings nicht zur Schuldentilgung eingesetzt worden, sondern für neue billige Schulden. Das habe in den meisten Ländern zu einem überschäumenden Wirtschaftsboom in den Ländern geführt, in dessen Folge es zu kreditfinanzierten Lohnsteigerungen gekommen sei. Diese lagen jedoch oberhalb des Produktivitätszuwachses. Die produzierten Güter seien zu teuer geworden und die Wettbewerbsfähigkeit ging verloren. Durch die von den Vereinigten Staaten ausgehende Finanzkrise seien die Kredite auf einmal gestoppt worden, wodurch das Modell eines Wachstum auf Pump in sich zusammengefallen sei. Die Zinsen seien in der Folge stark gestiegen. 

Die Dauerkrise, die die Südländer seitdem im Griff  hat, habe nichts mit der Konjunktur zu tun. Es sei eine Überteuerungskrise. Die inflationäre Kreditblase, die der Euro in Südeuropa verursacht habe, mache die Länder zu teuer und nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Euro ließe eine Abwertung in den betroffenen Ländern nicht zu.

Nach Ansicht von Prof. Sinn gäbe es vier (trostlose) Optionen in der Eurozone. Die erste wäre eine Transferunion, also eine Art von Finanzausgleich, wie er in der Bundesrepublik zwischen den Bundesländern gegeben sei. Dies würde von Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland angestrebt. Das wäre nach Ansicht von Prof. Sinn teuer und würde die Staaten auf Dauer in dem Zustand der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit halten. Eine weitere Lösung könne in einer Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder  durch Deflation (Preisverfall) liegen. Sie müssten die Löhne und somit die Preise für ihre Güter senken. Da sich die Staaten allerdings zu sehr verschuldet hätten, fiele diese Option aus, weil die vorhandenen Kredite trotzdem bedient werden müssten und ein Bankrott von Firmen, Haushalten und Staaten zur Folge hätte. Könnten die Preise im Süden nicht sinken, müssten sie in den anderen Ländern der Eurozone steigen. Aus dieser Logik ergäbe sich eine weitere Option, die von der EZB präferiert würde. Nämlich die Nachinflationierung des Nordens. Um das Ziel zu erreichen müsse bei vollständiger Preisstabilität in Griechenland & Co. die Inflationsrate z.B. in Deutschland in den nächsten 10 Jahren bei etwa 4,5 % im Jahr liegen. Dann hätte man voraussichtlich das gleiche Niveau erreicht. Auf die eigene (rhetorische) Frage, ob dies passieren würde, antworte Prof. Sinn mit „Nein“. Die EZB versuche es zwar, aber es gelänge ihr nicht. Es sei „nicht so einfach, einen schweren Tanker, wie Deutschland, in eine inflationäre Fahrt zu bringen“, so Sinn. Dann bliebe logischerweise als letzte Möglichkeit nur der Austritt der verschuldeten Länder aus dem Euro und die Abwertung. Am Beispiel Griechenlands erläuterte Prof. Sinn, dass die griechische Wirtschaft in ein bis zwei Jahren wieder wachsen würde. Ein Problem wären die Auslandsschulden, die wahrscheinlich erlassen werden müssten, doch dieses Problem ergebe sich genauso, wenn Griechenland im Euro verbleibe und seine Wettbewerbsfähigkeit durch Preissenkungen wiedererlangen wolle. 

Vorläufig befänden wir uns, nach Meinung von Prof. Sinn, durch die „Rettung mit der Druckerpresse“ auf dem Weg zur Transferunion. Die verschiedenen Maßnahmen der EZB würden dazu führen, dass die Staatsschulden monetisiert und damit sozialisiert würden. Er kritisierte, dass die im EZB-System zwischen den nationalen Notenbanken gebildeten sog. Target-Salden, die die übermäßige Kreditgeldschöpfung messen, nicht getilgt werden müssten. In der Summe führen alle Maßnahmen zu niedrigen Zinsen und Abschreibungsverlusten, mit entsprechenden Folgen für die Altersversorgung.

In seinem Ausblick zum Ende seines Vortrags machte Prof. Sinn wenig Hoffnung, dass sich die Zinsen in nächster Zeit vom aktuellen niedrigen Niveau nach oben bewegen werden.

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Werner Sinn
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn Nationalökonom und Finanzwissenschaftler