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Pflege 2030 – Herausforderung in einer Gesellschaft des langen Lebens

Vortrag von Dr. Ralf Suhr - Jahrestagung der IPV-Akademie 2015

Der vielzitierte demografische Wandel und die damit verbundene Pflegebedürftigkeit von immer mehr Menschen ist längst kein lang- oder mittelfristiges Problem mehr. Wir befinden uns mittendrin!

Der vielzitierte demografische Wandel und die damit verbundene Pflegebedürftigkeit von immer mehr Menschen ist längst kein lang- oder mittelfristiges Problem mehr. Wir befinden uns mittendrin!
Dies war der Ausgangspunkt für den Vortrag von Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des Zentrums für Qualität in der Pflege auf der 7. Jahrestagung der IPV-Akademie.
Nie wurden die Menschen so alt wie heute, ein 65 Jähriger hätte noch gut 20 -25 Jahre vor sich – bei oft relativ guter Gesundheit. Allerdings sei der Preis für Langlebigkeit bei so vielen hochbetagten Menschen die Pflegebedürftigkeit. Und das Risiko dafür sei hoch. Laut Herrn Dr. Suhr waren immerhin zwei Drittel der Frauen und die Hälfte der Männer vor ihrem Versterben im Jahr 2009 pflegebedürftig.
Insgesamt belaufe sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen derzeit auf 2,5 Millionen und würde tendenziell bis zum Jahr 2050 auf 4,4 Millionen ansteigen.
Dieser Versorgungsbereich würde so stark wie kein anderer wachsen – Pflege sei somit „Das Thema der Zukunft“.

Die mit Abstand meisten Menschen wünschen sich, zu Hause gepflegt zu werden. 4,7 Millionen Angehörige würden 1,3 Millionen Menschen pflegen. Zusätzlich sei der Pflegebedürftige bereit, die Hilfe von ambulanten Pflegediensten in Anspruch zu nehmen. Aber es fehle akut an qualifiziertem Fachpersonal. Diese Versorgungslücke gelte es abzumildern bzw. zu schließen. Die Zahl des Pflegepersonals müsse zunehmen. Herr Dr. Suhr sprach von der Notwendigkeit eines Krisendienstes, um beispielsweise eine 24-Stunden Betreuung im häuslichen Pflegebereich zu gewährleisten. Es müssten neue Strukturen bei den Pflegeangeboten entstehen, z.B. durch einen Versorgungsmix aus Angehörigen, Fachkräften, Nachbarn und Bekannten.
Der Gesetzgeber hätte bereits Regelungen geschaffen, wie z.B. das Gesetz zur Pflegezeit oder Familienpflegezeit. Allerdings würden diese von den arbeitenden Angehörigen aus Angst, beispielsweise vor Jobverlust oder Unverständnis des Arbeitgebers, zu wenig genutzt. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sei unabdingbar. Auch die finanzielle Unterstützung spiele eine Rolle, denn Pflege koste viel Geld.

Eine zentrale Rolle beim Thema Pflege spiele die Qualität. Trotz bereits bestehender Einrichtungen und Behörden zur Prüfung würden wir nur wenig über die Qualität in der stationären Pflege und gar nichts über die Qualität in der ambulanten Pflege wissen. Hier bestünde noch großer Bedarf.
Im Fokus stehe dabei die Patientensicherheit. Hierbei ginge es beispielsweise um falsche Medikation oder Hygienemanagement. 

Nicht zuletzt sprach Herr Dr. Suhr ein Tabuthema an: Gewalt in der Pflege.
Unsanfter Umgang mit Pflegebedürftigen, Ruhigstellen mit Medikamenten und unnötige freiheitsentziehende Maßnahmen seien hier genannt.

Deutlich mehr Forschung sei nötig, um die Qualität in der Pflege weiterzuentwickeln. Nur damit könne man den genannten Problemen des demografischen Wandels entgegenwirken.

Übrigens: 20 Euro wäre der Deutsche bereit, für seine Pflegevorsorge auszugeben. Dies sei eindeutig sehr schlecht eingeschätzt, warnte er. „Wir brauchen eine Vorsorgekultur.“ 

Es würde noch ein weiter Weg vor uns in der Pflegequalität liegen, so das Fazit von Dr. Suhr.
Die Utopie des Menschen, bis ins hohe Alter gesund zu sein, könne weder die Medizin noch die Gesellschaft erfüllen.

Viele Gäste äußerten sich im Nachgang positiv über die engagierte Vortragsweise von Herrn Dr. Suhr, auch zu brisanten Themen in der Pflege.

Dr. Ralf Suhr Jahrestagung 2015
Dr. Ralf Suhr Vorstandsvorsitzender, Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege
Wir brauchen eine Vorsorgekultur