Back to top

Aktuelle Entwicklungen in der privaten und betrieblichen Altersversorgung

Vortrag Herr Klaus Stiefermann - Jahrestagung der IPV-Akademie 2018

Neben dem Thema der Doppelverbeitragung, also der Belastung der bAV mit Sozialversicherungsabgaben sowohl in der Anwartschafts- wie auch der Leistungsphase kam auch die Frage zur Verfassungsmäßigkeit des steuerlichen Rechnungszinsen für Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG zur Sprache. Außerdem stellte Klaus Stiefermann die säulenübergreifende AltersvorsorgeInformation vor, mittels der eine politische Initiative bessere Aufklärung erreichen will.

Eine vielschichtige Materie wie die Altersversorgung ist naturgemäß ständigen Änderungen unterworfen. Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (aba), ist von Berufs wegen ganz nah dran an den Themen, die die Politik auf Bundesebene und in der EU in Sachen Altersversorgung umtreiben. 

1. Doppelverbeitragung

Die in machen Konstellationen auftretende doppelten Beitragsbelastung der bAV hat unter Betroffenen inzwischen zu die Gründung des „Vereins der Direktversicherungsgeschädigten“ geführt. Hierzu kommentierte Stiefermann, dass die Schädigung, wenn überhaupt, nicht von der Direktversicherung, sondern vom Gesetzgeber herrühre, und daher der Name „Verein der Gesetzgeber-Geschädigten“ womöglich zutreffender sei.

Die Doppelverbeitragung komme gar nicht so häufig vor wie gedacht, da sie eine Verbeitragung in der Leistungsphase voraussetze, was vor allem bei Dotierungen zur Direktversicherung/Pensionskasse oberhalb von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze vorkomme. Außerdem trete die Doppelverbeitragung bei Entgeltumwandlungen mit pauschaler Versteuerung (§ 40b EStG a.F.) aus laufendem Gehalt sowie bei Pensionskassen, soweit diese aus Eigenbeiträgen des aktiven Arbeitnehmers in der Aktivphase finanziert würden. Dieses Phänomen ist z.B. in der Chemie-Branche sehr verbreitet.

Durch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei die private Fortführung einer Pensionskasse nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses immerhin von der Doppelverbeitragung ausgenommen analog zur Direktversicherung. Auch nach Riestergrundsätzen geförderte bAV-Verträge hat der Gesetzgeber seit dem 1.1.2018 von der Doppelverbeitragung entbunden.

Auch werde eine Doppelverbeitragung durch die Zuschusspflicht des Arbeitgebers auf Entgeltumwandlungen zwar nicht vermieden, sie werde aber für die Zukunft wirtschaftlich betrachtet zu einem guten Teil neutralisiert, da die spätere Beitragsbelastung in der Rentenphase (voller Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung von aktuell mindestens 18 Prozent) durch den Zuschuss des Arbeitgebers (15 Prozent der Entgeltumwandlung) teilweise finanziert werde.

In der Politik werden weitere Maßnahmen diskutiert, um die Beitragsbelastung in der Rentenphase generell abzusenken. Ein Modell sieht die Wiedereinführung des halben Beitragssatzes vor (für laufende Leistungen Gesetzeslage vor 2004), ein anderes die Gewährung eines Freibetrages von ca. 150 EUR monatlich. Ein drittes strebt eine Freigrenze von 250 EUR monatlich an (statt wie bisher ca. 150 EUR). Hintergrund: Wird eine Freigrenze überschritten, ist die Versorgungsleistung ab dem ersten Cent beitragspflichtig, bei einem Freibetrag erfolgt die Beitragsbelastung nur für Leistungen oberhalb des Freibetrags.

Allen Modellen sind nennenswerte Ausfälle an Sozialversicherungsbeiträgen gemein, die über entsprechende Mehrbelastung der Aktiven ausgeglichen werden müssten.

2. Verfassungsmäßigkeit von § 6a EStG  

Entgegen landläufiger Meinung nehme der Durchführungsweg der Pensionszusage an Bedeutung zu, führte Klaus Stiefermann aus und untermauerte seine Aussage mit Zahlen zur Steigerung des Bestands an Aktiven und Rentnern mit Pensionszusage. Derzeit unterhielten etwa 50 Tausend Unternehmen Pensionszusagen.

Unverändert sei eine Reform von § 6a EStG, der Vorschrift zur steuerlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen im Durchführungsweg Pensionszusage, überfällig. Der angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes sehr hohe Rechnungszins von 6 % führe zur Versteuerung von Scheingewinnen in Unternehmen. Außerdem könnten Unternehmen erforderliche Rücklagen nicht bilden, wenn deren steuerliche Anerkennung verweigert würde. Der anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen § 6a EStG räumte Stiefermann gute Erfolgsaussichten ein. Eine Absenkung des Rechnungszinses um ein Prozent führe zu einer mittleren Steigerung der Pensionsrückstellung um ca. 13 Prozent.

Daneben müsste § 6a EStG für neue Zusagearten gewappnet werden. Die Beschränkung auf das Teilwertverfahren, das im Großen und Ganzen auf herkömmliche Leistungszusagen gemünzt ist, sei überholt. 

3. Altersvorsorgeinformation

Nach Einschätzung der Stiftung Warentest gleicht die Suche nach Informationen über persönliche Rentenansprüche einem Weg durch den Irrgarten. Viel Versicherte haben nicht die geringste Ahnung, was sie aus der Altersvorsorge insgesamt zu erwarten haben.

Aus diesem Grund plant eine politische Initiative nichts anderes als eine säulenübergreifende Renteninformation, deren Umfang wie auch Machbarkeit derzeit durch eine wissenschaftliche Studie um Prof. Zwiesler von der Universität Ulm geprüft werden.

Auf die zahlreichen Herausforderungen bei der Bewertung von künftigen Rentenansprüchen in sehr heterogenen Versorgungssystemen wie der gesetzlichen Rente, Beamtenversorgung, bAV und privater Vorsorge ging Herr Stiefermann ausführlich ein. „Klippen“ sind hier u.a. die Bewertung von Zinstrends, Gehaltstrends sowie die Herausforderung der Umrechnung von Kapitalleistungen in laufende Renten. Herr Stiefermann wies auf die Gefahr einer Überforderung der Verbraucher hin.

Mit Themen aus der Europäischen Union, insbesondere zur möglichen Kompetenzverlagerung von der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht „BaFin“ zur EU,   beschloss Herr Stiefermann seinen vielseitigen Vortrag.

 

Klaus Stiefermann, Jahrestagung 2018
Klaus Stiefermann aba - Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V.