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Entgeltumwandlung: Worüber muss ein Arbeitgeber informieren?

Artikel aus dem Journal online 02-2020

Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Entgeltumwandlung nicht auf die KV/PV-Beitragspflicht in der Leistungsphase hinweisen. Tut er das dennoch, muss der Hinweis inhaltlich richtig und vollständig sein, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG v. 18.02.2020 – 3 AZR 206/18).

Der Arbeitgeber ist kein „Vermögensberater“, urteilten die Bundesrichter in letzter Instanz sinngemäß und kassierten damit das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm v. 6.12.2017 – 4 Sa 852/17).

Der Fall:

Ein Betriebsrentner hatte seine Pensionskassenzusage als Kapitalleistung erhalten und von seinem ehemaligen Arbeitgeber Schadenersatz in Höhe der darauf fälligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gefordert. Begründung: Er sei bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung im Jahr 2003 nicht auf die anstehende Ausweitung der
KV/PV-Abgabenpflicht auf bAV-Kapitalleistungen hingewiesen worden. Kapitalleistungen wurden ab 2004 beitragspflichtig.

Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Hamm, hatte dem Kläger recht gegeben (LAG Hamm, 6.12.2017 - 4 Sa 852/17).

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Entgeltumwandlung: Worüber muss ein Arbeitgeber informieren?

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht verneinte hingegen eine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf die geänderte Gesetzeslage. Eine solche Hinweispflicht setze voraus, dass der Arbeitnehmer zuvor konkret über das Gegenteil informiert worden sei. Der Arbeitgeber hatte aber nie einen ihm zurechenbaren Hinweis zur Abgabenbelastung in der Leistungsphase erteilt.

Losgelöst von gesetzlichen Auskunftspflichten (vgl. § 4a BetrAVG und bei Entgeltumwandlung BAG v. 21.1.2014 – 3 AZR 807/11) sieht das Bundesarbeitsgericht drei abstrakte Fallgruppen für gesteigerte Hinweispflichten des Arbeitgebers:

  1. Wenn eine für den Mitarbeiter nachteilige Maßnahme auf Initiative des Arbeitgebers getroffen wird (z.B. Aufhebungsvertrag führt zum Unterschreiten der Unverfallbarkeitsfrist für die bAV).
  2. Die Maßnahme wird nicht auf Initiative des Arbeitgebers getroffen, hat aber voraussehbar erhebliche Nachteile für die bAV des Arbeitnehmers und betrifft eine komplexe Rechtsmaterie. Wenn der Arbeitgeber dann die notwendigen Informationen besitzt oder sie ohne Schwierigkeiten beschaffen kann, ist er gesteigert auskunftspflichtig (dies dürfte z. B. im Öffentlichen Dienst mit seinen komplexen bAV-Strukturen in Frage kommen).
  3. Der Arbeitgeber erteilt freiwillig Auskünfte. Dies müssen richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet der Arbeitgeber für Schäden, die der Mitarbeiter aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet (z. B. bei der fälschlichen Auskunft, dass die Unterstützungskasse nach Ausscheiden privat fortgeführt werden kann).

Kann der Arbeitgeber bei Erteilung der Information erkennen, dass deren Richtigkeit auch zukünftig für den Mitarbeiter bedeutsam sein wird, so kann ihn sogar eine nachträgliche Hinweispflicht im Fall von Änderungen der Sach- und Rechtslage zulasten des Mitarbeiters treffen.

Bewertung:

Das BAG-Urteil ist erfreulich, da es umfassende Informationspflichten zur Abgabenbelastung, die viele Arbeitgeber aufgrund der Komplexität im Abgabenrecht gar nicht leisten können, verneint. Außerdem stellt es klar, in welchen Konstellationen Informationspflichten bestehen können. Es beseitigt damit einen wichtigen Hemmschuh für die Verbreitung der bAV. Allerdings lässt das BAG zahlreiche „Hintertürchen“ für mögliche Informationspflichten offen.

In den versicherungsförmigen Durchführungswegen wird der Arbeitnehmer neuerdings ohnehin über die grundsätzlich bestehende Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung in der Leistungsphase informiert, allerdings nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch den Versicherer (§ 4 VAG-InfoV).

Wichtig: Informiert ein Arbeitgeber freiwillig zu einem Sachverhalt, muss dies richtig, eindeutig und vollständig sein. Das gilt auch für spätere Entwicklungen zu diesem Sachverhalt. Dies dürfte insbesondere die Stellung der rechtsberatenden Zunft im Umfeld der bAV stärken und eine dauernde rechtliche Betreuung nahelegen.

Ansprechpartner
Ulrich Beeger
Ulrich BeegerRA und Leiter Mitgliederberatung
Tel.
030 206732-141
Fax
030 206732-312
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