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„Die Uhr tickt“: Bestehende Entgeltumwandlungen sind ab 2022 zuschusspflichtig
Für Arbeitgeber endet die Übergangsfrist am 31.12.2021 – Versäumnisse verjähren nicht ohne Weiteres.

Im Jahr 2018 wurde eine gesetzliche Zuschusspflicht auf Entgeltumwandlungen eingeführt. Ziel ist die Weitergabe der aufgrund der Entgeltumwandlung gesparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Arbeitgeber sind verpflichtet, 15 % des Entgeltumwandlungsbetrags in die Direktversicherung, die Pensionskasse oder den Pensionsfonds einzahlen. Der Arbeitgeber muss aber nicht mehr bezuschussen, als er infolge der Entgeltumwandlung einspart, daher kann der Zuschuss auch komplett entfallen (§ 1a Abs. 1a Betriebsrentengesetz (BetrAVG)). Die gesetzliche Zuschusspflicht kann außerdem durch abweichende Tarifverträge verdrängt werden. Deren Regelungen zu einer Zuschusspflicht gehen dann vor.

1. Zuschusspflicht gilt für neue Entgeltumwandlungen seit 01.01.2019

Für neue Entgeltumwandlungsvereinbarungen gilt die gesetzliche Zuschusspflicht bereits seit dem 01.01.2019. Viele Arbeitgeber haben ihre Systeme umgestellt und insbesondere Versorgungsordnungen dazu genutzt, die neue Zuschusspflicht sicherzustellen bzw. bislang freiwillig gewährte Zuschüsse in die gesetzliche Zuschusspflicht zu integrieren.

2. Zuschusspflicht für ältere Entgeltumwandlungsvereinbarungen ab 01.01.2022

Für ältere Entgeltumwandlungsvereinbarungen gilt gemäß § 26a BetrAVG eine Übergangsfrist. Danach gilt die Zuschusspflicht für „individual- oder kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen werden, erst ab dem 1. Januar 2022.“ Der Gesetzgeber berücksichtigt damit den Sonderaufwand, der für die Umstellung von Bestandsverträgen und den Eingriff in teilweise langjährig etablierte Strukturen entsteht.

Arbeitgeber, die ihren Bestand noch nicht aufgearbeitet haben, verbleibt nicht mehr viel Zeit, sich um die Altfälle zu kümmern. Verträge müssen geprüft, Mitarbeiter informiert, Entgeltumwandlungsvereinbarungen ggf. geändert werden. Kontakt mit dem Versorgungsträger ist aufzunehmen, um auszuloten, wie der Zuschuss bestenfalls umgesetzt werden kann. Natürlich bedarf es einer Abstimmung mit der Lohnbuchhaltung. Wichtig ist der Kontakt mit dem zuständigen Versicherungsvermittler, um die nötigen versicherungstechnischen Fragen zu klären.

3. Langfristige Haftung für versäumte Zuschüsse

Versäumt es der Arbeitgeber, seiner gesetzlichen Zuschusspflicht nachzukommen, haftet er aufgrund der gesetzlichen Einstandspflicht für Einbußen, die dem Mitarbeiter in der Rentenphase entstehen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG). Das hat insbesondere Konsequenzen für die Verjährung von Ansprüchen.  Sie beginnt erst mit Eintritt des Versorgungsfalls und dauert 30 Jahre. Eine Haftung für nicht gezahlte Beiträge besteht unabhängig von der Verjährung von Beiträgen langfristig. Mitarbeiter können theoretisch bis zur Rentenphase abwarten, um Ansprüche durchzusetzen.

4. Herausforderungen bei der Umsetzung – eine Versorgungsordnung kann helfen

Erprobt hat sich bei vielen Arbeitgebern die Zahlung eines pauschalen Zuschusses von mindestens 15 %. Zwar nimmt der Arbeitgeber unter Umständen mehr Geld in die Hand als er muss, dafür wird die Komplexität stark reduziert und die Betriebsbindung gefördert. Möglich ist auch eine Differenzierung, bestenfalls durch eine Versorgungsordnung geregelt: Jeder erhält 15 % Zuschuss mit Ausnahme der Mitarbeiter, die Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung umwandeln. Die Beitragsbemessungsgrenze sollte aus Sicht der Sozialversicherungsträger nicht anhand des Jahresgehalts, sondern anhand des Monatsgehalts ermittelt werden.

Hat sich der Arbeitgeber für einen pauschalen Zuschuss auf den Bestand entschieden, könnte alles ganz einfach sein. Einfach den Beitrag um 15 % erhöhen. Fertig! Die Umsetzung der Zuschusspflicht ist für „Altfälle“ aber mitunter komplex. Je älter der Vertrag und je "exotischer" der Versorgungsträger, desto schwieriger gestalten sich Anpassungen.

Einer Beitragserhöhung steht entgegen, dass manche Versicherungs-, Pensionskassen- oder Pensionsfondsverträge überhaupt nicht mehr erhöht werden können. Dies hängt maßgeblich vom Anbieter und den Vertragsbedingungen des Vorsorgeproduktes ab. Mancher Anbieter ist im „Run-Off“ und bietet kein Neugeschäft mehr an, was eine Erhöhung unmöglich macht. Auch kann beispielsweise bei Bestandsverträgen, die unverändert nach § 40b EStG a. F. pauschal besteuert werden, eine Erhöhung des Vertrags den steuerlich geförderten Rahmen sprengen. Die Beitragserhöhung ist daher nicht das Allheilmittel.

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Die Uhr tickt - Übergangsfrist endet am 31.12.2021

PDF-Datei: Die Uhr tickt - Bestehende Entgeltumwandlungen ab 2022 zuschusspflichtig

IPV-Fachartikel - Bestehende Entgeltumwandlungen ab 2022 zuschusspflichtig_1-2021.pdf
Ansprechpartner
Ulrich Beeger
Ulrich BeegerRA und Leiter Mitgliederberatung
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5. Prüfungsschritte bei der Umsetzung

Daher kann der Arbeitgeber folgende Varianten prüfen, die konform zur Rechtsansicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sind:

  1. Kommt eine Erhöhung des bestehenden Versorgungsvertrags in Betracht (falls versicherungstariflich möglich bzw. sinnvoll)?
  2. Ist die Einzahlung des Zuschusses in einen Neuvertrag versicherungstariflich möglich?
  3. Kann der Mitarbeiter seine Gehaltsumwandlung absenken, sodass sich der Arbeitgeber am Beitrag beteiligen kann?

Alle Varianten dürften gleichberechtigt nebeneinanderstehen, wenngleich die notwendige gesetzliche Klarheit fehlt.

Die Umstellung auf Mischfinanzierung (Variante 3) erfordert grundsätzlich eine einvernehmliche Änderung der Entgeltumwandlungsvereinbarung für jeden Einzelfall. Diese Anpassung kann aber nach abstrakten Grundsätzen (z. B. „Reduzierung der Entgeltumwandlung auf 100/115 des bisherigen Betrags“) erfolgen.

Wird die Entgeltumwandlungsvereinbarung im Einzelfall geändert, ist die sogenannte „atmende“ Entgeltumwandlung eine Möglichkeit, den Zuschuss geschickt und nachhaltig umzusetzen: Schwankt der Arbeitgeberzuschuss in der Zukunft, wird der Umwandlungsbetrag entsprechend erhöht oder reduziert. Der Beitrag an den Anbieter bleibt gleich. Die Entgeltumwandlungsvereinbarung wirkt dann nachhaltig bei vielen verschiedenen Konstellationen (gesetzliche Änderungen des Zuschusses, Änderungen der Beitragsbemessungsgrenzen, andere Sozialversicherungsbeitragssätze etc.).

Arbeitsrechtlich sind die Varianten 1 und 2 grundsätzlich nicht einwilligungspflichtig, da sie lediglich eine Erhöhung der Zusage bewirken. Eine Einwilligung nach dem Versicherungsvertragsgesetz ist für Einzelverträge in der betrieblichen Altersversorgung nicht mehr erforderlich (§ 150 Abs. 2 VVG). Allerdings ist eine Mitwirkung aus datenschutzrechtlichen oder versicherungstechnischen Gründen häufig von Vorteil.

Bei den anstehenden Maßnahmen sollte der zeitliche Aufwand nicht unterschätzt werden. Durch ein koordiniertes Vorgehen in enger Kooperation mit dem Versicherungsvermittler lässt sich die Zuschusspflicht auf den Bestand bis zum 31.12.2021 aber gut umsetzen. Um ein strukturiertes Prozedere, Transparenz und eine Gleichbehandlung in der Belegschaft sicherzustellen, empfiehlt sich daneben eine gut durchdachte Versorgungsordnung.

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