Back to top

Dem Fachkräftemangel begegnen

Die deutsche Bevölkerung schrumpft und altert. Das bedeutet für die Wirtschaft: Einer immer älter werdenden Bevölkerung stehen immer weniger junge Berufstätige gegenüber. Diese demografische Entwicklung wird durch den sich parallel dazu vollziehenden Wandel der Wirtschaftsstruktur noch weiter verschärft. Und obwohl der Fachkräfteengpass bereits in vielen Branchen der deutschen Wirtschaft angekommen ist und auch die Bundesregierung zum Handeln auffordert, wird das Problem gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen noch unterschätzt.

Erstellt

Stand: Juli 2016

Doch welche Möglichkeiten haben Unternehmen, effektiv Fachkräftesicherung und ­-gewinnung zu betreiben?

Personalpolitische Instrumente, wie beispielsweise Entlohnung, Aus- und Weiterbildung, Führungsstil und Arbeitsbedingungen, werden von den Unternehmen bereits vielfach genutzt. In diesem Kontext darf die betriebliche Altersversorgung (bAV) sowie die betriebliche Krankenversicherung (bKV) nicht unberücksichtigt bleiben. Welche Anreize Betriebsrenten und betriebliche Gesundheitsvorsorge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bieten und wie ein Unternehmen damit seinen Fachkräftebedarf sichern kann, soll im Folgenden erläutert werden.

Fachkräftemangel

In vielen Branchen und Regionen Deutschlands bleiben bereits jetzt Stellen unbesetzt. Der Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte wird sich in Zeiten schwacher Geburtenjahrgänge und Globalisierung der Märkte weiter verschärfen. Nun sind es die Unternehmen, die sich erfolgreich als Arbeitgeber am Markt positionieren müssen, um die vorhandenen Fachkräfte an sich zu binden und gut ausgebildete neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Bis zum Jahr 2030 wird sich die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland, optimistisches Szenario unterstellt, um rund vier Millionen Menschen verringern. Nach Studien des 
Bundeswirtschaftsministeriums kostet Deutschland diese Entwicklung jährlich etwa ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Firmen sind alarmiert – neun von zehn Unternehmen rechnen in den nächsten Jahren damit, nicht mehr ausreichend Fachpersonal zu finden.
Diese Tendenz zeigt sich schon heute in einigen Branchen, wie z. B. in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sowie den Berufen des Gesundheits- und Sozialwesens. Hier sind qualifizierte Fachkräfte wie Ingenieure, Informatiker, Pflegekräfte und Erzieher bereits jetzt Mangelware. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. So werden über alle Berufsgruppen und Branchen hinweg Fachkräfte­engpässe, vom geeigneten Auszubildenden über Facharbeiter bis hin zu Akademikern, auftreten.

Grafik Report Altersaufbau der Bevölkerungsgruppe in Deutschland

Mitarbeitergewinnung und -bindung

Den Herausforderungen der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen sinkenden Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland muss sich die gesamte Gesellschaft stellen. So ist auch der Gesetzgeber aufgefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und geeignete Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu schaffen. Zu den aktuell in der Öffentlichkeit viel diskutierten Maßnahmen gehören u. a. die Erhöhung der Frauenquote durch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Anwerben ausländischer Fachkräfte, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine bes-
sere berufsbegleitende Weiterbildung der vorhandenen Arbeitskräfte.
Trotz aller politischer Bemühungen wird der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter für die Unternehmen immer härter. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen bedarf es hier immer größerer Anstrengungen, um im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte gegenüber bekannten Großunternehmen zu bestehen. So müssen sie ihren Arbeitnehmern attraktive Angebote bezüglich Gehalt, Arbeitsbedingungen und Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten, um vorhandene qualifizierte Mitarbeiter zu halten bzw. neue Fachkräfte zu gewinnen. Dabei können kleinere und mittlere Unternehmen oftmals mit der im Betrieb gelebten familiären Arbeitgeberfürsorge punkten. Dazu wird in Zukunft immer stärker die betriebliche Absicherung der Mitarbeiter im Alter und im Invaliditätsfall, die Hinterbliebenenversorgung sowie die betriebliche Gesundheitsvorsorge in den Fokus rücken.

Option: betriebliche Altersversorgung

„Unternehmen werden in Zukunft, […] in einen härter werdenden Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte eintreten. Hierbei wird auch die bAV als attraktive Unternehmensleistung künftig eine zunehmend wichtige Rolle spielen.“ – schreibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bereits in ihrer „Stellungnahme zum EU-Grünbuch“.
Das gestiegene Interesse der Arbeitnehmer an zusätzlichen Altersvorsorgemaßnahmen ist auch auf die Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückzuführen. Diese bewirken bei den gesetzlich Versicherten ein massives Absinken des Versorgungsniveaus im Alter und im Falle einer Erwerbsminderung. So ist ein Ansteigen der Altersarmut schon heute abzusehen, da die gesetzliche Rente künftig nur noch eine Grundversorgung darstellen wird. Dieses Problem ist vielen Fachkräften bewusst und sie suchen nach Möglichkeiten, einer drohenden Altersarmut entgegenzuwirken. Daher ist eine Betriebsrente für viele Fachkräfte ein nicht zu unterschätzender Grund bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers, aber auch bei der Entscheidung für den Verbleib im Unternehmen.
Hier tritt der Fürsorgegedanke des Arbeitgebers wieder stärker in den Vordergrund. Der Arbeitgeber erhält durch die Übernahme sozialer Verantwortung die Chance, seine Mitarbeiter emotional an das Unternehmen zu binden. Oftmals wiegt die Sicherheit, sich selbst oder die Familie im Notfall und im Alter versorgt zu wissen, deutlich mehr als ein nominal höheres Gehalt eines anderen Arbeitgebers. Zusätzlich wirkt sich ein positives Image als sozial engagierter Arbeitgeber als Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach neuen qualifizierten Fachkräften aus.
Das gesteigerte Interesse der Arbeitnehmer an betrieblichen Versorgungsleistungen veranlasst viele Unternehmen, neue Versorgungssysteme zu etablieren oder bestehende Versorgungen an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Jedoch gerade in mittelständischen Unternehmen besteht bei Angebot und Nutzung betrieblicher Altersversorgung erheblicher Nachholbedarf, obwohl gerade für sie die Mitarbeitergewinnung und -bindung im Wettbewerb mit den Großunternehmen überlebenswichtig ist. Aktuelle Studien zeigen, dass bisher nur ca. zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen ihren Mitarbeitern betriebliche Altersversorgung aktiv anbieten und nur jeder zweite Arbeitnehmer dieses Angebot nutzt. Dabei ermöglicht die bAV eine hocheffiziente kapitalgedeckte Vorsorge, indem Größenvorteile genutzt werden können, die Unternehmen im Vergleich zu Privatpersonen haben. Hinzu kommen steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vorteile für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.

Gestaltungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber

Bei der Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung bieten sich dem Unternehmen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei entscheidet das Unternehmen, ob es sein Versorgungsversprechen selbst oder über einen externen Versorgungsträger organisieren möchte und welche Versorgungsleistungen den Mitarbeitern gewährt werden sollen. Hier kann der Arbeitgeber zwischen Alters-, Invaliditäts- und/oder Hinterbliebenenversorgung wählen oder eine Kombination hieraus festlegen. Berufsunfähigkeitsschutz sollte der Arbeitgeber mit anbieten: Denn für Mitarbeiter mit Gesundheitseinschränkungen sind betriebliche Berufsun­fähigkeitsleistungen mit vereinfachter Risikoprüfung oft die einzige Möglichkeit, sich finanziell gegen Invalidität abzusichern.
Schließlich bleibt noch die Frage zu klären, wer die betriebliche Altersversorgung finanziert. Neben rein arbeitgeberfinanzierten Modellen gewannen in den vergangenen Jahren arbeitnehmerfinanzierte Versorgungen (sog. Entgeltumwandlungen) an Bedeutung. 
Seit 2002 hat jeder rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber, Teile seines Bruttogehaltes in eine wertgleiche betriebliche Altersversorgung umzuwandeln.
Der aktuelle Trend geht deutlich zu mischfinanzierten Modellen, d. h. es gibt arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierte Komponenten in der Versorgung. Eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern finden sogenannte „Matching Contribution“ (sinngemäß: gemeinschaftliche Beiträge). Hier entwickelt der Arbeitgeber ein Versorgungssystem, das aus einem Grund- und Zusatzbaustein besteht. Der Grundbaustein besteht aus einer reinen Arbeitgeberleistung. Diese kann auch aufgrund tariflicher Regelungen gezahlt werden. Der Zusatzbaustein wird als „Matching Contribution“ gewährt, d. h.: Ist der Arbeitnehmer bereit, einen Eigenbeitrag aus Entgeltumwandlung zu leisten, so gewährt der Arbeitgeber einen Zuschuss.
Der Mitarbeiter wird in diesem System aktiv an seiner Altersversorgung beteiligt und kann durch die Entgeltumwandlung den Zuschuss des Arbeitgebers erhöhen. So stellt der Arbeitgeber sicher, dass nur derjenige Arbeitnehmer zusätzliche Leistungen erhält, der auch selbst Verantwortung für seine Vorsorge übernimmt. Des Weiteren ist das dargestellte beitragsorientierte System klar kalkulierbar, Nachschussrisiken werden minimiert.
Eine Versorgungsordnung, in der arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten haftungssicher festgelegt werden, rundet das System ab. Sie vereinfacht nachträgliche Änderungen des Versorgungswerks und verhindert damit ein rechtliches „Versteinern“. Außerdem kann der Arbeitgeber praktische und rechtliche Hinweise geben.

Option: betriebliche Krankenversicherung

In vielen großen Unternehmen besteht die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, zu günstigen Konditionen eine private Krankenzusatzversicherung abzuschließen. Diese Zusatzversicherung läuft über einen vom Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag mit einem privaten Krankenversicherer. In diesem Modell kann sich der Arbeitnehmer frei zu dem Abschluss einer solchen Versicherung entscheiden, zahlt die Beiträge selbst und muss sich auch einer Gesundheitsprüfung unterziehen.
Davon unterscheidet sich die betriebliche Krankenversicherung (bKV) in wesentlichen Punkten. Sie geht über eine reine Rabattierung deutlich hinaus. Auch bei der bKV schließt der Arbeitgeber einen Gruppenversicherungsvertrag mit einem privaten Krankenversicherer ab. Die Beiträge der vom Arbeitgeber im Vorfeld ausgewählten Krankenzusatztarife werden in diesem Fall aber vom Arbeitgeber selbst bezahlt und sind für die Arbeitnehmer obligatorisch. Das bedeutet, dass entweder alle Arbeitnehmer des Unternehmens oder alle Mitarbeiter einer objektiv definierten Personengruppe in der Belegschaft den Versicherungsschutz der bKV automatisch bekommen. Das hat den großen Vorteil, dass die Arbeitnehmer ohne Gesundheitsprüfung aufgenommen werden und somit Leistungsausschlüsse und Beitragszuschläge aufgrund von Vorerkrankungen entfallen. Weiterhin verzichtet der private Krankenversicherer auf Wartezeiten, der Arbeitnehmer hat gleich nach Beginn des bKV-Vertrags vollen Versicherungsschutz. 
Es gibt einen weiteren wesentlichen Unterschied zu den privaten Angeboten der Krankenzusatzversicherungen. Bei der bKV sind die Tarife ohne Alterungsrückstellungen kalkuliert. Dadurch sind die vom Arbeitgeber zu zahlenden Beiträge wesentlich günstiger als die Beiträge, die ein Arbeitnehmer außerhalb seines Unternehmens für einen gleichwertigen Versicherungsschutz zahlen müsste. 

Gestaltungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber

Bei der Einrichtung einer bKV hat ein Unternehmen die Auswahl aus einer Vielzahl von Zusatzversicherungsprodukten. Damit kann der Arbeitgeber hinsichtlich Leistungsumfang und Beitragshöhe seine ganz individuelle betriebliche Krankenversicherung selbst gestalten. Die Bausteine, die der Arbeitgeber auswählen kann, reichen von Zuzahlungen zu Sehhilfen, Zahnersatz und Heilpraktiker über die Übernahme von Vorsorgeuntersuchungen bis hin zu stationärem Schutz oder einem Krankentagegeld nach dem Ende der gesetzlichen Lohnfortzahlung.
Für den Arbeitgeber bieten sich weitere Vorteile einer betrieblichen Krankenversicherung, denn durch die verbesserte medizinische Versorgung und Vorsorge können krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert und somit die Produktivität gesteigert werden. Die Beiträge für die bKV und die gegebenenfalls anfallenden Aufwendungen für Steuer und Sozialversicherung sind für das Unternehmen als Betriebsausgabe absetzbar. Beim Arbeitnehmer wirken die Beiträge oft nachhaltiger als eine gleichhohe Lohnerhöhung.
Vor dem Hintergrund sinkender Ansprüche in der gesetzlichen Alters- und Gesundheitsversorgung bieten die betrieblichen Versorgungssysteme gute Chancen für die Unternehmen, sich auch in Zeiten des Fachkräftemangels erfolgreich am Markt als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Aus diesem Grund werden die betrieblichen Versorgungsleistungen in den kommenden Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Erstellt: Stand: Juli 2016

Alle IPV-Report ansehen