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Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG): letzte Chance vor dem Obligatorium?

Vortrag von Prof. Dr. Mathias Ulbrich - Jahrestagung 2017

Prof. Dr. Mathias Ulbrich präsentiert die wichtigsten Neuerungen des BRSG

Der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung ist nach dem Willen der Politik besonders in kleinen und mittleren Unternehmen zu stärken. Hierzu hat der Gesetzgeber das BRSG auf den Weg gebracht, das zum 01.01.2018 in Kraft tritt. Prof. Dr. Mathias Ulbrich, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Schmalkalden und ausgewiesener Kenner der Materie, präsentierte die wichtigsten Neuerungen des BRSG für die betriebliche Altersversorgung (bAV) und gab seine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten des Gesetzes bei der Erreichung der hochgesteckten Ziele.

Das BRSG bewahrt grundsätzlich die langjährige Tradition der bAV als freiwillige Sozialleistung der Wirtschaft, da von ihm wenig Zwang ausgeht. Es ist nach Ansicht von Prof. Ulbrich  geeignet, die freiwillige Entscheidung der Unternehmen für eine  bAV zu fördern: Die arbeitsrechtliche Haftungserleichterung wie auch die teilweise gezielte Subventionierung von Versorgungszusagen im Bereich der niedrigen bis mittleren Einkommen dürfte es den  Arbeitgebern leichter machen, Betriebsrenten zu versprechen. Gleichzeitig sei das BRSG aber wohl die „letzte Chance“ zur Förderung der bAV auf freiwilliger Basis. Werde diese Chance vertan, drohten Zwangssysteme.

 

Gute Ansätze des BRSG zur Stärkung der bAV in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie bei Geringverdienern sind nach Meinung von Prof. Ulbrich zweifellos die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verbesserungen wie die Vereinfachung und Aufstockung der steuerfreien Dotierung nach § 3 Nr. 63 EStG auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung, die Flexibilisierung der Beitragszahlungen und die Abschaffung der Doppelverbeitragung bei der riestergeförderten bAV. Die staatliche Förderung von rein arbeitgeberfinanzierter bAV für Arbeitnehmer bis 2.200 EUR Monatseinkommen ist ebenfalls ein zielgenauer Ansatz zur Verbreitung der bAV unter Geringverdienern. Die teilweise Anrechnungsfreiheit von bAV-Leistungen auf die Grundsicherung ist nach Prof. Ulbrich eine wichtige Stellschraube für die Akzeptanz unter Geringverdienern.

 

Das Sozialpartnermodell beinhaltet für tarifliche Lösungen eine reine Beitragszusage über Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds, sodass Arbeitgeber keine Einstandspflicht mehr für Leistungen übernehmen müssen. Das dürfe aber nicht als komplette Enthaftung missverstanden werden, so Prof. Ulbrich. Arbeitgeber könnten u. U. nach wie vor, z.B. für Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen Informationspflichten oder bei fehlerhafter Anbieterauswahl haften.  

 

Verbunden ist das Sozialpartnermodell mit dem Versprechen einer lebenslangen „Zielrente“ ohne Kapitalisierungsmöglichkeit. Die künftige Rentenhöhe darf zu keinem Zeitpunkt garantiert werden, auch nicht bei bereits laufender Rente. Das sei zweifelsohne nicht einfach zu kommunizieren, so der Professor.

 

Zweifel meldete Prof. Ulbrich an den Erfolgsaussichten des „Sozialpartnermodells“ an. In Zeiten niedriger Zinsen seien eine Kapitalanlage ohne Garantien und der Wegfall der Einstandspflicht sicherlich ein gut gemeinter Ansatz. Die Bindung des Modells an Tarifverträge mache auch ausgewogene bAV-Lösungen möglich, erschwere aber deren Verbreitung unter KMU. Zum einem müssten die Sozialpartner überhaupt Tarifverträge zur Zielrente abschließen. Zum anderen sei es fraglich, ob die vielen nicht tarifgebundenen Unternehmen sich diesen Tarifverträgen durch Bezugnahme anschließen.

 

Dazu kämen noch einige Rechtsunsicherheiten und Ungewissheiten, wie etwa teilweise fehlende Regelungen zur Portabilität. Fraglich sei auch ob und welcher Höhe ein Sicherungsbeitrag vereinbart wird, den Unternehmen zusätzlich an Versorgungseinrichtungen  abführen „sollen“. Auch sei es erforderlich, dass die Versorgungsträger geeignete Produkte  anbieten und administrieren können.

 

Auch das Optionssystem (automatische Entgeltumwandlung)  kann die Verbreitung der bAV fördern. Wie im Sozialpartnermodell auch bedarf es dort eines Tarifvertrages, der die automatische Entgeltumwandlung - auch über die klassische, garantieförmige bAV - vorsehen kann. Arbeitsrechtlich ist die Zuschusspflicht zur Entgeltumwandlung in Höhe von 15 Prozent eine weitere Neuerung, die alle Arbeitgeber, auch außerhalb eines Optionsmodells, angeht.

Fazit

Insgesamt, so das Fazit von Prof. Ulbricht, stärke das BRSG besonders die herkömmliche bAV. Für das Sozialpartnermodell gebe es noch viele Unzulänglichkeiten und offene Fragen, schloss Prof. Ulbrich seinen aufschlussreichen und kurzweiligen Vortrag.

Prof. Dr. Mathias Ulbrich, JT 2017
Prof. Dr. Mathias Ulbrich, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Schmalkalden auf der 9. Jahrestagung der IPV-Akademie
Ansprechpartner
Ulrich Beeger
RA Ulrich BeegerKompetenzzentrum BRSG
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