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BRSG 2.0
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Betriebsrentenstärkungsgesetz 2.0 – Der Referentenentwurf ist endlich da!

Stand: 16. September 2024

Wieviel „Wurf“ steckt im Entwurf?

Für die bAV-Fachwelt hat seit Ende Juni das Warten ein Ende. Der lang erwartete Referentenentwurf des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (2. BRSG) wurde veröffentlicht. Das Gesetz soll die Verbreitung der bAV insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen fördern. Auf 46 Seiten sieht der Entwurf Änderungen des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) sowie weiterer Gesetze vor. Betroffen sind u.a. auch das Einkommensteuergesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz sowie verschiedene Bücher im Sozialgesetzbuch.

Im Wesentlichen sind folgende Änderungen geplant:

 

Erleichterung beim Sozialpartnermodell (SPM)

Die besonders haftungsarme reine Beitragszusage ist auch künftig nur im Rahmen eines Tarifvertrags, der eine reine Beitragszusage vorsieht, möglich (sog. Sozialpartnermodell). Die Nutzung der reinen Beitragszusage setzt bislang die Existenz eines einschlägigen Branchen-SPM voraus. Die Einschlägigkeit soll künftig nicht mehr zwingend sein. Denn auch, wenn es an einem einschlägigen SPM fehlt (für die Metallbranchen existiert derzeit z.B. kein SPM), ist die Geltung eines branchenfremden Sozialpartnermodells möglich (z.B. des Chemie-SPM).

Voraussetzung dafür ist entweder

  • der Abschluss eines sog. „Andock-Tarifvertrags“, der die Teilnahme an einem branchenfremden SPM mit Zustimmung der SPM-Sozialpartner regelt (Metall-Sozialpartner beschließen bspw. per Tarifvertrag die Teilnahme am Chemie-SPM mit Zustimmung der Chemie-Sozialpartner),
  • oder die Gewerkschaft, die das SPM für eine bestimmte Branche vereinbart hat, vertritt gemäß ihrer Satzung auch weitere Branchen. Für diese weiteren Branchen bedarf es dann nicht einmal eines „Andock-Tarifvertrags“. Auch hier müssen die Sozialpartner, die den SPM-Tarifvertrag abgeschlossen haben, der Teilnahme zustimmen. Beispiel: Die Gewerkschaft ver.di hat das Banken-SPM vereinbart, vertritt aber auch den Öffentlichen Dienst. Dieser könnte theoretisch das Banken-SPM nutzen, sofern die Banken-Sozialpartner einverstanden sind.

Weiterhin wird durch Gesetz (§ 21 BetrAVG-E) klargestellt, dass eine reine Beitragszusage auch dann vorliegt, wenn die Sozialpartner sich mangelhaft oder gar nicht an der Durchführung und Steuerung des SPM beteiligen.

 

Opting-Out auch per Betriebs- oder Dienstvereinbarung

Die automatische Entgeltumwandlung, bei der das Schweigen als Zustimmung des Arbeitnehmers zur Entgeltumwandlung gilt, könnte aus Sicht vieler die Verbreitung der bAV stark fördern.  Seit 2018 galt aber eine extrem hohe Hürde: Das Erfordernis eines einschlägigen Tarifvertrags, der das Opting-Out vorsieht.

Zukünftig soll die automatische Entgeltumwandlung auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung zulässig sein. Voraussetzung ist nach § 20 BetrAVG-E, dass der Arbeitgeber unabhängig vom Durchführungsweg und von der tatsächlichen Sozialversicherungsersparnis pauschal 20 % Zuschuss zahlt. Der Zuschuss ist sofort unverfallbar, der gesetzliche Zuschuss in den versicherungsförmigen Durchführungswegen damit abgegolten.

 

Verbesserung beim Förderbetrag für Geringverdiener gemäß § 100 EStG

Eine arbeitgeberfinanzierte bAV in den versicherungsförmigen Durchführungswegen für sog. Geringverdiener soll künftig stärker gefördert werden. Geplant ist eine monatliche Einkommensgrenze für Geringverdiener in Höhe von drei Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (entspricht 2.718 EUR Bruttomonatsgehalt in 2024). Die bisherige statische Einkommensgrenze von zuletzt 2.575 EUR monatlich konnte sinnwidrig zu einem Herausfallen aus der Förderfähigkeit bei inflationsbedingten Lohnanpassungen führen.

Auch soll der maximale Förderbetrag von jährlich 288 EUR auf 360 EUR steigen. Der Staat beteiligt sich damit zu 30 % an freiwilligen arbeitgeberfinanzierten Beiträgen bis zu 1.200 EUR (bislang 960 EUR). Der arbeitgeberfinanzierte Mindestbeitrag verbleibt bei 240 EUR pro Kalenderjahr.

Der Geringverdiener-Förderbetrag war und ist eine der wenigen Maßnahmen des BRSG, die zielgerichtet die Verbreitung der bAV in kleinen und mittleren Unternehmen adressiert. Sie erfordert weder eine Tarifbindung noch einen Betriebsrat. In der Praxis erweist sich allerdings das Erfordernis eines Versicherungstarifs, bei dem Abschlusskosten auf die gesamte Beitragszahlungszeit verteilt werden, als Hindernis bei der Verbreitung und Nutzung des Förderbetrags. Dabei steckt viel Potential – auch vertrieblich – im Förderbetrag.

 

Der Abfindungsrahmen von Bagatellanwartschaften wird „verdoppelt“

Die einseitige Abfindungsmöglichkeit sog. Bagatellanwartschaften bleibt unverändert erhalten. Eine Bagatellanwartschaft liegt vor, wenn die aus der Anwartschaft resultierende Altersrente ein Prozent der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigt (Kapitalleistung: 12/10). Die einseitige Abfindung ist sowohl nach unverfallbarem Ausscheiden als auch in der Rentenbezugsphase möglich.

Daneben tritt einen neue Abfindungsform für Bagatellanwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung, die mit Zustimmung des Abzufindenden und ausschließlich vor Rentenbeginn möglich ist: Die abfindbare Bagatellanwartschaft soll sich für diesen Fall verdoppeln auf eine Monatsrente von 70,70 EUR (West) bzw. 8.484 EUR Kapitalleistung (Werte für 2024).

Die Abfindung in die gesetzliche Rentenversicherung ist steuer- und sozialversicherungsfrei. Aufgrund der Steuerfreiheit ist ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug für den Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich. Durch Übertragung auf die gesetzliche Rentenversicherung kann eine Verringerung der Krankenversicherungsbeiträge in der Leistungsphase erzielt werden, da die gesetzliche Rentenversicherung die Hälfte der Beitragslast übernimmt. Oftmals sind aber Bagatellanwartschaften aus bAV ohnehin in der Leistungsphase krankenversicherungsfrei, da der Freibetrag nicht überschritten wird. Insofern ist vor einer solchen Abfindung ein Günstigervergleich zwischen bAV und GRV geboten.

 

Anspruch auf vorzeitige bAV-Altersrente bei Bezug einer gesetzlichen Teilrente – auch im Durchführungsweg Pensionskasse

Gemäß § 6 BetrAVG-E soll zukünftig auch bei Bezug einer Teilrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung ein Anspruch auf eine vorzeitige bAV-Altersrente bestehen. Bislang war dazu eine GRV-Vollrente erforderlich. Wie bisher auch, kann der Leistungsplan des Arbeitgebers aber weitere Voraussetzungen enthalten, wie beispielsweise das Erfüllen einer Wartezeit oder das tatsächliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Daran soll sich nichts ändern, sodass der bAV-Anspruch trotz Bezug einer Teilrente mangels Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis leerlaufen kann.

Die Neuregelung dient der weiteren Flexibilisierung bei Eintritt in den Ruhestand. Da seit 2023 Einkommen auf die vorgezogene gesetzliche Altersrente nicht mehr angerechnet wird, steigt die Zahl derjenigen, die ihre Arbeitszeit verringern und zusätzlich eine gesetzliche Teilrente beziehen und gleichzeitig eine bAV-Altersrente beanspruchen wollen.

Hier können Regelungslücken entstehen: Denn bei Fortsetzung der Tätigkeit kann trotz vorzeitigen bAV-Bezugs unverändert die Pflicht zum Ausbau von bAV-Anwartschaften im Raum stehen.

Für viele Leistungspläne steht außerdem die Frage im Raum, ob das Erfordernis des Ausscheidens beibehalten werden soll. Steuerlich notwendig ist das inzwischen für keinen Durchführungsweg mehr.

Diesbezüglich soll auch für den Durchführungsweg Pensionskasse ein Hindernis aus dem Weg geräumt werden. Dort kann künftig eine Altersrente trotz fortlaufenden Erwerbseinkommens bezogen werden, wenn das Erwerbseinkommen teilweise weggefallen ist oder eine gesetzliche Teilrente bezogen wird. Bisher verlangte § 232 Abs. 1 Nr. 2 VAG grundsätzlich den Wegfall von Erwerbseinkommen.

Arbeitgeber und Versorgungsträger können insoweit ihre Leistungspläne bzw. Satzungen anpassen. Ohne deren Initiative werden die vom Gesetzgeber vorgesehenen Erleichterungen großteils nicht wirken. Es ist also Geduld erforderlich.

 

Wertguthaben: Bezug einer vorzeitigen GRV-Rente kein Störfall mehr

Der Referentenentwurf sieht auch im Wertguthabenrecht eine wichtige Anpassung im Hinblick auf die Streichung der Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung vor.

Bislang ist es so, dass der Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Rente dafür sorgt, dass vorhandene Wertguthaben im Sinne des § 7c SGB IV von den Sozialversicherungsträgern als „Störfall“ abgerechnet werden.

Die jetzt geplanten gesetzlichen Änderungen sorgen dafür, dass Wertguthaben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze vom Arbeitnehmer (mit) verbraucht werden können.

Mit dieser zusätzlichen Flexibilisierung werden zum einen die Rentner, die im Erwerbsleben erworbenes Wertguthaben verbrauchen wollen, mit den Rentnern gleichgestellt, die parallel zur (auch vorgezogenen) gesetzlichen Rente mittlerweile unbegrenzt hinzuverdienen können. Zum anderen soll die Möglichkeit Verdienstausfälle auf verschiedenen Wegen auszugleichen, Beschäftigte verstärkt dazu bringen, länger im Erwerbsleben zu verbleiben als bisher.

 

Fortführungsrecht nach entgeltfreien Zeiten erweitert

In den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds bestand nach einer Beitragsfreistellung aufgrund von Elternzeit auch bisher schon ein Anspruch auf Fortsetzung des Vertrags zu den vorherigen Rechnungskonditionen. Nach § 212 VVG-E soll das Fortführungsrecht zu den Altkonditionen künftig nicht nur bei Elternzeit, sondern generell bei entgeltfreien Zeiten gelten (z.B. Bezug von Krankengeld, Sabbatical, Pflegezeit u.ä.), solange die Prämienzahlung innerhalb von drei Monaten ab Beendigung der entgeltfreien Zeit wieder einsetzt. Auch Gesundheitsprüfungen sollen im Anschluss an eine beitragsfreie Zeit unter diesen Bedingungen nicht zulässig sein.

Die neuen Regeln würden für alle Beitragsfreistellungen gelten, die ab Inkrafttreten des 2. BRSG beginnen. Auch Bestandsverträge unterliegen dann den neuen Regelungen.

 

Und einiges mehr

Unter anderem sollen die Kapitalanlagemöglichkeiten für den Durchführungsweg Pensionskasse liberalisiert werden durch eine Änderung des Aufsichtsrechts. Dafür wird aber eine Sanierungsklausel in der Satzung der Pensionskasse erforderlich, was Arbeitgeber bei der Auswahl des Versorgungsträgers berücksichtigen sollten, um Haftungsrisiken einzugrenzen. Für den Pensionsfonds gibt es künftig die Möglichkeit der Ratenzahlung. Es gibt noch diverse kleinere Änderungen, z.B. betreffend Verfahrensfragen bei Durchführung der gesetzlichen Insolvenzsicherung, wo künftig digitale Kommunikation Standard werden soll (§ 9 BetrAVG-E).

 

Was fehlt?

Die Wunschliste an den Gesetzgeber war groß. Die folgenden Punkte unter den bAV-Anliegen wurden im Referentenentwurf nicht behandelt und sind wohl auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht zu erwarten:

  • Eine gesetzliche Klarstellung, dass die beitragsorientierte Leistungszusage keine Beitragsgarantie von 100 % erfordert (dass die Kapitalleistung bei Rentenbeginn auch weniger als 100 % der gezahlten Beiträge betragen darf)
  • Eine Absenkung der Beitragsgarantie für die Beitragszusage mit Mindestleistung auf unter 100 %
  • Ein Verzicht auf die Schriftform („Nassunterschrift“) für die steuerliche Anerkennung von Pensionszusagen und Unterstützungskassenzusagen (§§ 6a, 4d EStG)
  • Eine Absenkung des steuerlichen Rechnungszinses für Pensionsrückstellungen gem. § 6a EStG

 

Wie geht´s weiter?

Der Referentenentwurf befindet sich bis zum 27.7. in der Verbändeanhörung und soll im August durch das Kabinett beschlossen werden. Das sich anschließende Gesetzgebungsverfahren (parlamentarische Anhörung und Lesung im Bundestag sowie Einholung der erforderlichen Zustimmung des Bundesrats) dürfte Zeit in Anspruch nehmen. Ein Inkrafttreten des neuen Förderbetrags ist jedenfalls für den 1.1.2025 geplant.

Dass frei nach Peter Struck „kein Gesetz den Bundestag so verlässt wie es reinkommt“ ist auch hier zu erwarten. Allerdings dürften sich großen Überraschungen in Grenzen halten.

 

Fazit:

Der Referentenentwurf ist erwartungsgemäß nicht der „ganz große Wurf“. Es gibt punktuelle Verbesserungen für das Sozialpartnermodell, das sich aber auch zukünftig nur mäßiger Attraktivität erfreuen dürfte, zumal die zwischenzeitlich stark gestiegenen Zinsen auf Arbeitnehmerseite Begehrlichkeiten für harte Garantien wecken dürften. Das Sozialpartnermodell kennt hingegen nur ein Garantieverbot.

Misst man den Referentenentwurf am selbstgesetzten Ziel, die bAV in kleinen und mittleren Unternehmen zu verbreiten, so kann allein die geplante Verbesserung von § 100 EStG überzeugen. Faktisch hemmen dort nach wie vor die restriktiven Vorgaben zur Verteilung der Abschlusskosten eine stärkere Verbreitung.

Die automatische Entgeltumwandlung („Opting-Out“) per Betriebsvereinbarung ist ein Fortschritt. Sie wird vor allem dort reibungslos funktionieren, wo Arbeitgeber einen spürbaren Anteil an der bAV mitfinanzieren (sog. Matching-Modelle) und ein „Rausoptieren“ unattraktiv ist. Da unzählige Betriebe gar keinen Betriebsrat haben, wäre eigentlich die Gesamtzusage das Mittel der Wahl. Teilweise Abhilfe kann hier weiterhin das einzelvertragliche „Opting-Out“ über den Arbeitsvertrag schaffen.

Die geplanten gesetzlichen Änderungen für mehr Flexibilität beim Übergang in den Ruhestand, bei entgeltfreien Zeiten oder zur Abfindung erfordern eine Anpassung bei den Informationsprozessen (z.B. Hinweis zur Drei-Monats-Frist nach Ende der entgeltfreien Zeit) wie auch von Satzungen und Versicherungsbedingungen. Eine Günstigerprüfung bei Abfindung von bAV-Anwartschaften in die GRV dürfte sich etablieren.

 

In jedem Fall sind Versorgungsordnungen an die gesetzlichen Änderungen anzupassen. Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.


© IPV Industrie-Pensions-Verein e. V.
Stand: 16. September 2024
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Ulrich Beeger
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