Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 15.03.2023 zum Aktenzeichen I R 41/19 die bislang entwickelten Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung und dem Fremdvergleich im Hinblick auf die Weiterarbeit des GGF nach Renteneintritt nicht nur bestätigt, sondern auch weiterentwickelt. Damit eröffnet das Gericht – verbunden mit klaren Aussagen – mehr Spielraum für eine steuerlich zulässige Gestaltung der Weiterarbeit nach Renteneintritt ohne Anrechnung des Gehalts auf die Betriebsrente.
Die Klägerin, eine GmbH, beschäftigte einen Geschäftsführer, bei dem es sich um den Alleingesellschafter der Klägerin handelte. Dem GGF wurde eine Versorgungszusage erteilt, die als Leistungsvoraussetzung u.a. das Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft vorsah. Im Jahr 2010 erreichte der GGF sein Renteneintrittsalter und schied aus. Seither bezog er die Altersrente von der Gesellschaft. Im Jahr 2011 wurde er wieder als Geschäftsführer bei der Klägerin tätig und erhielt neben der Rente ein Gehalt, welches knapp 10% seiner früheren monatlichen Vergütungen ausmachte. Die Beklagte, das zuständige Finanzamt, hatte die Renten als verdeckte Gewinnausschüttungen angesehen. Die erste Instanz gab der Klägerin Recht und hob die Bescheide auf, worauf die Revision durch die Beklagte folgte.
Der BFH als Revisionsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Er sah keine verdeckte Gewinnausschüttung in der Rentenzahlung.
Neben dem allgemeinen Fremdvergleich bezog der BFH zunächst zum formellen Fremdvergleich Stellung. Dabei ging es um die Frage, ob es durch die nachträgliche Anstellung des GGF an der in der Versorgungszusage enthaltenen Voraussetzung des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis fehle. Der BFH kam nach Auslegung der Vereinbarung der Parteien zu dem Ergebnis, dass jedenfalls eine nach Ausscheiden wiederaufgenommene Tätigkeit dem Ausscheideerfordernis nicht entgegensteht. Die Regelung zum Ausscheiden dürfe nicht so weit ausgelegt werden, dass nach Erreichen der Altersgrenze jedes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ausgeschlossen sei.
Zum allgemeinen Fremdvergleich wurde auf die wiederholte Rechtsprechung Bezug genommen, wonach ein gleichzeitiger Bezug von Gehalt und Rente ohne Anrechnung nur „bedingt“ einem Fremdvergleich standhält. In Bezug auf die Kritik in der Literatur, die gegen die Anrechnung anführt, dass die Betriebsrente eine Leistung aus der Versorgungszusage für bereits geleistete Tätigkeiten darstelle, rechtfertigte der BFH seine Anrechnung damit, dass die Versorgungsleistungen den Versorgungscharakter gerade wegen des Wegfalls der Bezüge haben (Kompensationswirkung) und den Wegfall folglich implizieren. An seinem dem Fremdvergleich folgenden Anrechnungsgrundsatz, der auch weiterhin auf die wechselseitig uneingeschränkten Zahlungen von Versorgungsleistungen und Gehalt anwendbar ist, hält er fest. Wird dem Geschäftsführer jedoch ein reduziertes Gehalt gezahlt, müsse der Fremdvergleich weitergedacht werden. Als entscheidendes Argument für die grundsätzliche Zulässigkeit einer Vergütung führte der BFH das Argument an, dass kein Fremdgeschäftsführer entgeltlos einer beratenden Tätigkeit nachgehen würde.
Ganz konkret wies der BFH darauf hin, dass der Fremdgeschäftsführer verlangen würde, ihm für die Tätigkeit eine Vergütung in Höhe der Differenz zwischen Versorgungleistungen und der Summe der letzten Aktivbezüge zu leisten. Grundsätzlich bliebe in diesen Fällen der Versorgungscharakter der Versorgungszahlungen erhalten und die Versorgungszahlung in steuerlicher Hinsicht zulässig. Diese Grenzziehung sei jedoch nur soweit anwendbar, als dass der Umfang der Tätigkeit der früheren Tätigkeit entspricht. Soweit die Folgetätigkeit einen geringeren Umfang habe, sei eine Kürzung des Differenzbetrags erforderlich. Da ein geringerer Tätigkeitsumfang jedoch im Streitfall nicht vorlag, war eine Konkretisierung der Kürzung nicht erforderlich. Im Hinblick auf die geringe Vergütung betonte der BFH insbesondere, dass nicht allein durch eine „unüblich“ niedrige Vergütung die gesellschaftliche Veranlassung und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sei. Dienstleistungen unter Marktwert seien nicht grundsätzlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten, sondern vielmehr im Grundsatz zulässig.
Das Urteil verdeutlicht, dass auch weiterhin die parallele Leistung von uneingeschränkten Aktiv- und Versorgungsbezügen nach Renteneintritt dem formellen Fremdvergleich aus steuerlicher Sicht nicht standhält. Die gezahlten Gehälter sind daher in solchen Fällen auf die Versorgungsleistung anzurechnen. Es gilt weiterhin das BMF-Schreiben vom 18.09.2017 (IV C 6 – S 176/07/10006, Rnr. 10).
Sollte das vorliegende Urteil im Bundessteuerblatt II veröffentlicht werden, könnte es zukünftig auch über den konkreten Einzelfall hinaus möglich werden, den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit – ggf. unter Vereinbarung eines nach versicherungsmathematischen Maßstäben berechneten Barwertausgleichs – aufzuschieben und dem GGF eine verringerte Vergütung bei gleichem Umfang der früheren Tätigkeit für nach Renteneintritt geleistete Dienste zu zahlen, ohne dass dies künftig zu steuerlich nachteiligen Konsequenzen führt.
Dabei bildet nach dieser Rechtsprechung die Summe der früheren Aktivbezüge die Grenze der insgesamt geleisteten Zahlungen aus der Pensionszusage und dem Gehalt. Wenn ein GGF seine Dienste nach Renteneintritt weiter leisten will, könnte er dies nach BFH jedenfalls dann ohne steuerliche Nachteile tun, wenn die Folgetätigkeit den gleichen Umfang wie vor Renteneintritt hat und die Gesamtzahlung aus Versorgungsbezügen und Gehalt die Summe der früheren Gehaltszahlungen nicht übersteigt. Wenn der Tätigkeitsumfang geringer als vor Renteneintritt ist, wäre eine Kürzung der „Obergrenze“ vorzunehmen.
Resümierend bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung diesem Urteil anschließen wird und für die Praxis mehr Klarheit und mehr Spielraum für steuerlich zulässige Praxislösungen entstehen werden.
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