Veit Oos, Vorstand des Industrie-Pensions-Verein e. V., sprach mit Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Bundestag und Bundesrat haben für die Rolle der DIHK als Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern (IHK) eine stabile und moderne Basis geschaffen. Nach mehr als 160 Jahren ist aus der seit langem als privatem Verein organisierten Vereinigung der IHKs eine Körperschaft des öffentlichen Rechts geworden. Die DIHK hat damit den gleichen rechtlichen Status wie eine IHK, sie ist sozusagen die IHK der IHKs. Damit ist eine Meinungsbildung auf Basis aller Regionen, aller Branchen und aller unternehmerischen Perspektiven gewährleistet. Nur so können wir die Interessen der gesamten gewerblichen Wirtschaft in Berlin, Brüssel und international vertreten. Bisherige rechtliche Unsicherheiten, was denn noch zu wirtschaftlichen Themen und damit zum Aufgabenbereich der DIHK gehört, wurden beseitigt. Nunmehr können IHKs und DIHK auch zum Klimaschutz oder zur Menschenrechtslage in Lieferketten die Position der Wirtschaft in die Diskussion einbringen. Gerade solche Themen gehören zur Gesamtverantwortung der Wirtschaft. Die Transformation vom Verein zur Körperschaft war manchmal herausfordernd, sie ist aber dank der Unterstützung durch die IHKs gut und erfolgreich gelaufen. Neu ist übrigens dabei eine noch größere Transparenz und Beteiligungsoffenheit für alle, die mitmachen wollen.
Die deutsche Wirtschaft konnte einen drohenden Absturz abwenden… Allerdings bleiben die Aussichten insgesamt getrübt, vor allem sind die Herausforderungen für die kommenden Jahre enorm.
Peter Adrian, Präsident Deutsche Industrie- und Handelskammer
Die deutsche Wirtschaft konnte einen drohenden Absturz abwenden. Das hat auch mit den Energiepreisbremsen zu tun. Hilfreich für die Industrie ist, dass nach wie vor die Auftragsbestände hoch sind und wir eine gewisse Entspannung bei den Lieferengpässen sehen. Allerdings bleiben die Aussichten insgesamt getrübt, vor allem sind die Herausforderungen für die kommenden Jahre enorm. Das weltweite Wachstum ist gebremst und die hohe Inflation macht Unternehmen und Verbrauchern gleichermaßen zu schaffen: Zum einen drückt die Angst vor Preissteigerungen auf die Nachfrage, zum anderen hemmen die steigenden Zinsen die Investitionstätigkeit. Das spüren wir etwa im Baubereich oder auch bei Investitionen in Anlagen und Ausrüstung. Insgesamt erwartet uns in diesem Jahr eher eine Seitwärtsbewegung und unterm Strich eine rote Null.
Eine Deindustrialisierung wäre eine gefährliche Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir sehen das nicht als akute Gefahr, aber als einen möglichen schleichenden Prozess. Das sollten wir im Interesse unseres Standorts aufhalten. Verlagerungen finden eher selten dadurch statt, dass Unternehmen von heute auf morgen komplett umziehen. Vielmehr fallen öfter Investitionsentscheidungen etwa bei der Entwicklung neuer Produkte für andere Standorte, weil dort wichtige Rahmenbedingungen besser sind. Das gilt insbesondere für energieintensive Unternehmen wie beispielsweise die Chemische Industrie. Hier erweisen sich die hohen Energiepreise als Standort-Nachteil in Deutschland. Trotz der aktuellen Rückgänge haben wir bei Strom und Gas hohe Preisnachteile zu anderen Ländern. Auch auf vielen anderen Ebenen muss unser Land wieder attraktiver für Investitionen werden. Dazu gehört vor allem, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Was möglich ist, zeigt das in nur zehn Monaten errichtete LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Diese Geschwindigkeit sollte der neue Maßstab für Investitionen sein, die wir dringend brauchen. Außerdem brauchen Unternehmen eine steuerliche Entlastung, damit sie Zukunftsinvestitionen finanzieren können. Um unsere Wirtschaft stabiler zu machen, brauchen wir übrigens auch mehr neue Handelsabkommen in aller Welt – und nicht weniger.
Was (im Planungs- und Genehmigungsverfahren) möglich ist, zeigt das in nur zehn Monaten errichtete LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Diese Geschwindigkeit sollte der neue Maßstab für Investitionen sein,…
Peter Adrian, Präsident Deutsche Industrie- und Handelskammer
Fachkräfteengpässe bestehen mittlerweile in der gesamten Breite der Wirtschaft. Im aktuellen DIHK-Fachkräftereport berichtet mehr als die Hälfte der Betriebe quer durch alle Branchen und Regionen, nicht alle offenen Stellen besetzen zu können. Wenn in den kommenden Jahren die „Baby-Boomer“ in Rente gehen, dürfte der Druck noch zunehmen. Daher müssen wir jetzt an allen Stellschrauben ansetzen, um Fachkräfte zu gewinnen. Das geht über eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren bis hin zu einer verstärkten Zuwanderung von ausländischen Fach- und Arbeitskräften, insbesondere aus Drittstaaten. Diese Ziele finden sich auch in der Fachkräftestrategie der Bundesregierung. Am aktuellen Rand wird mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes um bessere Zuwanderungsregeln gerungen. Wir müssen hier tatsächlich noch besser werden – schließlich werben auch andere Regionen weltweit um Fachkräfte. Unter anderem brauchen wir schnelle und digitale Verfahren im gesamten Zuwanderungsprozess. Wichtig ist außerdem die Förderung deutscher Sprachkenntnisse. Damit Zuwanderer und ihre Familien im Betrieb und im Alltag schnell Fuß fassen, müssen Welcome-Center in den Regionen mit guter Beratung einen wichtigen Beitrag leisten.
Wir haben ein sehr gutes Ausbildungssystem, das auch auf die konkreten Fachkräftebedarfe der kleinen und mittleren Unternehmen eine gute Antwort ist. Hier müssen wir nichts vom Kopf auf die Füße stellen. Was wir vielmehr brauchen, ist eine zielgerichtete und ausgewogene Berufsorientierung, damit Schulabgänger die für sie beste Berufswahl treffen. Ganz besonders die Gymnasien dürfen nicht einseitig in Richtung Studium beraten, sondern müssen noch viel mehr auch über die Chancen und Vorteile einer Ausbildung informieren: gute Verdienstaussichten, hervorragende Weiterentwicklungsmöglichkeiten und beste Chancen auf unbefristete Übernahme sind nur einige Pluspunkte. Hinzu kommt auch noch ein vielleicht gerade in diesen Zeiten sehr praxisnaher Weg in eine berufliche Perspektive. Die IHK-Organisation startet in diesen Tagen eine bundesweite Kampagne, mit der wir Schulabgänger für die Ausbildung in einem IHK-Beruf begeistern wollen.
Ganz besonders die Gymnasien dürfen nicht einseitig in Richtung Studium beraten, sondern müssen noch viel mehr auch über die Chancen und Vorteile einer Ausbildung informieren.
Peter Adrian, Präsident Deutsche Industrie- und Handelskammer
In Zeiten des Fachkräftemangels ist es wichtiger denn je für Unternehmen, die Gesundheit ihrer Belegschaft im Blick zu haben – und das nicht nur, weil jeder Krankheitstag für den Betrieb einen Verlust bedeutet. Maßnahmen der Gesundheitsförderung wie eine betriebliche Krankenversicherung oder Gesundheitstage erhöhen auch die Motivation und die Bindung an den Betrieb. Dadurch sind sie ein großer Pluspunkt bei der Rekrutierung neuer Fachkräfte und Beitrag zu nachhaltiger Unternehmensführung. IHKs unterstützen die Unternehmen bei der Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung. Sie geben Tipps, können regionale Ansprechpartner nennen, organisieren Veranstaltungen oder bieten Weiterbildungsmaßnahmen an. Auch betriebliche Altersvorsoge kann ein wichtiger Baustein sein, um die Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen. Allerdings fällt es kleinen Unternehmen mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen in der Regel schwerer, solche Angebote umzusetzen.
Richtig, derzeit dauern die Verwaltungsvorgänge in Deutschland viel zu lange. Das gilt etwa für Planungsverfahren bei öffentlichen Bauprojekten oder Genehmigungsverfahren bei privaten Bauvorhaben. 2022 zeigte sich dies bei Genehmigungen, die Unternehmen brauchen, wenn sie statt Erdgas andere Energieträger einsetzen wollen. Und die Bürokratie bremst auch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn wir da nicht schneller werden, können die hoch gesteckten Klimaziele nicht erreicht werden. Mir ist allerdings wichtig, dass wir Lösungen finden, die neben den Unternehmen auch die Verwaltungen selbst entlasten. Die DIHK hat hierfür eine Vielzahl von Vorschlägen unterbreitet. Der wichtigste Hebel zur Beschleunigung ist sicherlich die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen. Es gibt aber auch weitere Ansätze: Gesetze sollten einfacher und eindeutiger geschrieben werden – das gilt für Rechtsbegriffe, Definitionen und Fristen. Zudem könnten Anträge als genehmigt gelten, wenn bis zum Ablauf einer gesetzlichen Frist keine Rückmeldung aus der Verwaltung kommt. Unternehmen sollten etwa agieren können, wenn vom zuständigen Finanzamt keine rechtzeitige Antwort auf ein verbindliches Auskunftsersuchen eines Steuerpflichtigen kommt. Vereinfachungen im gesamten Steuerrecht bieten sehr viele Chancen für den Abbau unnötiger Bürokratie und damit für ein höheres Tempo.
Die Bürokratie bremst auch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn wir da nicht schneller werden, können die hoch gesteckten Klimaziele nicht erreicht werden.
Peter Adrian, Präsident Deutsche Industrie- und Handelskammer
Wir beteiligen uns gerade an dem neuen Verfahren des Bundesjustizministeriums zur Vorbereitung eines weiteren Bürokratieentlastungsgesetzes. Dabei haben wir ganz konkrete Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis eingespeist. Wir nennen der Politik die Punkte, wo es in vielen Unternehmen hakt, und liefern ihr gleichzeitig konkrete Änderungsvorschläge. Dazu gehören neben den schon erwähnten schnelleren Genehmigungsverfahren auch Vereinfachungen bei geplanten Forschungsvorhaben. Nach wie vor ist in der beruflichen Ausbildung an vielen Stellen per Gesetz die Papierform erforderlich. So ist beispielsweise ein elektronisches Ausfüllen des Ausbildungsvertrages ausgeschlossen, auch die Ergebnisse müssen bei einem Teil der Prüfungen noch per Ausdruck mitgeteilt werden. Eine konsequente Digitalisierung würde allen Beteiligten erhebliche Vorteile bringen. Wir hoffen sehr, dass diese Initiative zu einem Gesetz führt, dass endlich die so dringend notwendige Entlastung für die Unternehmen bringt.
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