Veit Oos, Vorstand des IPV, sprach mit Herrn Dr. Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Ein informatives Interview, in dem Dr. Dulger klare Worte findet, mit einem Appell an die neue Regierung. Große Herausforderungen stehen Deutschland bevor, diese sind nur gemeinsam mit der deutschen Wirtschaft zu meistern.
Diese Ampel-Koalition will für Aufbruch und Fortschritt stehen. Das ist ein wichtiges Signal. Daran werden die Unternehmen in Deutschland diese Regierung auch messen. Denn mit neuen Belastungen und Regulierungen wird es keinen Aufbruch in der Wirtschaft geben. Diese Bundesregierung muss sich jetzt darauf fokussieren, dieses Land fit für die Zukunft zu machen und für die Herausforderungen, die es zu bewältigen hat. Nur dann können wir das erarbeiten, was wir hinterher verteilen wollen. Das geht nur mit der Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft. Das Motto heißt anpacken und nicht zögern. Wir müssen unsere Sozialsysteme reformieren. Das sind dicke Bretter, die zu bohren sind. Da wünsche ich dem Team Scholz, Habeck, Lindner den Mut und die Entschlossenheit, die ein Gerhard Schröder hatte, wirklich weitreichende Reformen anzupacken.
Da müssen wir nicht ein paar Jahre warten. Ich glaube, wir können heute schon sehen, dass die Pandemie unseren privaten wie beruflichen Alltag digitaler gemacht hat. Die Unternehmen haben sich während Corona beim mobilen Arbeiten extrem flexibel gezeigt. Wo dies sinnvoll ist, wird es auch bleiben. Leider hat der Gesetzgeber bei dieser Entwicklung nicht mitgezogen. Ein flexibler Arbeitsort muss auch mit einer flexiblen Arbeitszeit einhergehen. Das haben wir heute noch nicht, da sich das Arbeitszeitrecht immer noch am Industriearbeitsplatz des letzten Jahrhunderts orientiert. Das müssen wir endlich anpacken.
Mit der Änderung des Mindestlohngesetzes durch diese Bundesregierung wird die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre in der Mindestlohnkommission schwer gestört. Der damit vorgenommene Systemwechsel von einer tarifpolitisch geprägten Mindestlohnentwicklung hin zu einer Staatslohnentwicklung ist folgenschwer. Bei Einführung des Mindestlohns hat die Politik die Zusage gegeben, dass die Mindestlohnkommission den Mindestlohn festlegt. Dieses Versprechen wird nun gebrochen und macht den Mindestlohn zum Spielball der Politik. Die Politik bleibt aufgefordert, mit den Arbeitgeberverbänden zurück an den Tisch zu kommen, um eine fatale Fehlentwicklung im sozialen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden.
Sehen wir endlich der Realität der Demografie in die Augen, dann ist doch eines völlig unstrittig: nur Reformen sind die Voraussetzung für den Fortbestand eines stabilen Sozialsystems. Eine ausgabenwillige Sozialpolitik ist nicht zukunftsfähig. Deshalb werben wir für eine flexiblere Altersgrenze in der Rente und die Konzentration der Arbeitslosenversicherung auf die Kernbereiche. Das sind Instrumente, die jetzt nötig sind. Die ersten Jahrgänge der Babyboomer gehen schon in Rente. 2025 kommt die demographische Wende mit voller Wucht. Dann kommt der Punkt, an dem mehr Menschen in Rente gehen als auf den Arbeitsmarkt nachrücken. Dann explodieren die Beiträge oder die Steuern. In jedem Fall ist das ein Angriff auf das Netto von vielen hart arbeitenden Menschen. Kein Umverteilungssystem kann funktionieren, wenn es nichts umzuverteilen gibt. Wir Arbeitgeber sind für diese ehrliche Diskussion bereit. Wer Beschäftigung erhalten will und die Jobs der Zukunft schaffen möchte, muss einen weiteren Anstieg der Belastung des Faktors Arbeit unbedingt vermeiden.
Wir brauchen einen jährlichen Bericht zum Stand der Sozialversicherungen und deren Zukunftsfähigkeit. Dieses System muss transparenter sein – das hat auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun. Ob das Renteneintrittsalter angepasst werden muss oder sonstige Maßnahmen, darüber wird zu reden sein. Unsere Kinder müssen nach einem erfüllten Erwerbsleben auch noch eine auskömmliche Rente bekommen. Und darüber müssen wir heute diskutieren und dann handeln – nicht erst morgen. Kein Blindflug mehr, sondern eine Voraussicht auf die nächsten 5, 10 oder 15 Jahre und eine Debatte darüber, ob es überhaupt noch generationengerecht ist.
Wir beobachten in Deutschland eine fast schon wirtschaftsfeindliche Kultur. Das sieht man leider häufig auch in den Medien, beispielsweise im Tatort: Keine andere Berufsgruppe muss so oft für den Bösewicht herhalten wie die der Unternehmer oder Manager. Ich sage: Raus mit diesen falschen Bildern aus den Köpfen! Wenn wir weiterhin ein Volk von Unternehmern und erfolgreichen Mittelständlern sein wollen, können wir uns das nicht länger leisten. Ob Handwerk, Start-Up oder Industrie – alle tragen wir zu unserem Wohlstand in unserem Land bei – denn Wirtschaft sind wir alle. Was wir deshalb brauchen, ist eine Bildungsoffensive, in der auch das Ziel, sich selbstständig zu machen, vorkommt. Das Unternehmertum gehört ins Klassenzimmer und in die Schulbücher! Und wir brauchen Rahmenbedingungen, dass junge Menschen Lust haben zu gründen und nicht durch Bürokratie Steine in den Weg gelegt bekommen. Wo sind denn die Anreize in unserer Gesellschaft für junge Menschen, Unternehmer werden zu wollen? Wie attraktiv ist es, in diesem Land zu gründen und die Arbeitsplätze von morgen zu schaffen? Das treibt mich als Unternehmer wirklich um. Meine Botschaft: Wer Deutschland lebenswert und leistungsfähig halten will, der muss Menschen Mut zur Selbstständigkeit machen.
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