Nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vor kurzem einen Gesetzentwurf zu Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung in die Ressortabstimmung gegeben hat, wurde nun die Verbändeanhörung zum Entwurf eines zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) gestartet, welche die betriebliche Altersversorgung betrifft.
Bereits im Jahr 2024 hatte die gescheiterte Ampelkoalition einen Regierungsentwurf für ein zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgelegt. Das weitere Gesetzgebungsverfahren konnte jedoch durch die vorgezogene Wahl des Bundestages nicht zu Ende geführt werden. Nun wurde dieser Entwurf weitgehend unverändert übernommen.
Im Wesentlichen sind folgende Änderungen geplant:
Die besonders haftungsarme reine Beitragszusage ist auch künftig nur im Rahmen eines Tarifvertrags, der eine reine Beitragszusage vorsieht, möglich (sog. Sozialpartnermodell). Die Nutzung der reinen Beitragszusage setzt bislang die Existenz eines einschlägigen Branchen-Sozialpartnermodells voraus. Die Einschlägigkeit soll künftig nicht mehr zwingend sein. Denn auch, wenn es an einem einschlägigen Sozialpartnermodell fehlt (für die Metallbranchen existiert derzeit z. B. kein Sozialpartnermodell), ist die Geltung eines branchenfremden Sozialpartnermodells möglich (z. B. des Chemie-Sozialpartnermodells).
Voraussetzung dafür ist entweder
Weiterhin wird durch Gesetz (§ 21 BetrAVG-E) klargestellt, dass eine reine Beitragszusage auch dann vorliegt, wenn die Sozialpartner sich mangelhaft oder gar nicht an der Durchführung und Steuerung des Sozialpartnermodells beteiligen.
Die automatische Entgeltumwandlung, bei der das Schweigen als Zustimmung des Arbeitnehmers zur Entgeltumwandlung gilt, könnte aus Sicht vieler die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung stark fördern. Seit 2018 war ein spezieller Tarifvertrag mit Opting-Out-Klausel zwingend erforderlich.
Zukünftig soll die automatische Entgeltumwandlung auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung zulässig sein. Voraussetzung ist nach § 20 BetrAVG-E, dass der Arbeitgeber unabhängig vom Durchführungsweg und von der tatsächlichen Sozialversicherungsersparnis pauschal 20 % Zuschuss zahlt. Der Zuschuss ist sofort unverfallbar, der gesetzliche Zuschuss in den versicherungsförmigen Durchführungswegen damit abgegolten. Allerdings wird diese Erleichterung dadurch eingeschränkt, dass sie nur angewendet werden kann, wenn Entgeltansprüche nicht oder üblicherweise auch nicht in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt werden. Letztere Vorgabe macht den praktischen Anwendungsbereich sehr überschaubar.
Eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung in den versicherungsförmigen Durchführungswegen für sogenannte Geringverdiener soll künftig stärker gefördert werden. Geplant ist eine monatliche Einkommensgrenze für Geringverdiener in Höhe von drei Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (entspricht 2.898 EUR Bruttomonatsgehalt in 2025). Die bisherige statische Einkommensgrenze von zuletzt 2.575 EUR monatlich konnte sinnwidrig zu einem Herausfallen aus der Förderfähigkeit bei inflationsbedingten Lohnanpassungen führen.
Auch soll der maximale Förderbetrag von jährlich 288 EUR auf 360 EUR steigen. Der Staat beteiligt sich damit zu 30 % an freiwilligen arbeitgeberfinanzierten Beiträgen bis zu 1.200 EUR (bislang 960 EUR). Der arbeitgeberfinanzierte Mindestbeitrag verbleibt bei 240 EUR pro Kalenderjahr.
Der Geringverdiener-Förderbetrag war und ist eine der wenigen Maßnahmen des BRSG, die zielgerichtet die Verbreitung der bAV in kleinen und mittleren Unternehmen adressiert. Sie erfordert weder eine Tarifbindung noch einen Betriebsrat. In der Praxis erweist sich allerdings das Erfordernis eines Versicherungstarifs, bei dem Abschlusskosten auf die gesamte Beitragszahlungszeit verteilt werden, als Hindernis bei der Verbreitung und Nutzung des Förderbetrags. Dabei steckt viel Potential – auch vertrieblich – im Förderbetrag.
Die einseitige Abfindungsmöglichkeit sog. Bagatellanwartschaften bleibt unverändert erhalten. Eine Bagatellanwartschaft liegt vor, wenn die aus der Anwartschaft resultierende Altersrente ein Prozent der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigt (Kapitalleistung: 12/10). Die einseitige Abfindung ist sowohl nach unverfallbarem Ausscheiden als auch in der Rentenbezugsphase möglich.
Daneben tritt einen neue Abfindungsform für Bagatellanwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung, die mit Zustimmung des Abzufindenden und ausschließlich vor Rentenbeginn möglich ist: Die abfindbare Bagatellanwartschaft soll sich für diesen Fall verdoppeln auf eine Monatsrente von 74,90 EUR bzw. 8.988 EUR Kapitalleistung (Werte für 2025).
Die Abfindung in die gesetzliche Rentenversicherung ist steuer- und sozialversicherungsfrei. Aufgrund der Steuerfreiheit ist ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug für den Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich. Durch Übertragung auf die gesetzliche Rentenversicherung kann eine Verringerung der Krankenversicherungsbeiträge in der Leistungsphase erzielt werden, da die gesetzliche Rentenversicherung die Hälfte der Beitragslast übernimmt. Oftmals sind aber Bagatellanwartschaften aus betrieblichen Altersversorgung (bAV) ohnehin in der Leistungsphase krankenversicherungsfrei, da der Freibetrag nicht überschritten wird. Insofern ist vor einer solchen Abfindung ein Günstigervergleich zwischen betrieblicher Altersversorgung (bAV) und Gesetzlicher Rentenversicherung (GRV) geboten.
Gemäß § 6 BetrAVG-E soll zukünftig auch bei Bezug einer Teilrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung ein Anspruch auf eine vorzeitige bAV-Altersrente bestehen. Bislang war dazu eine GRV-Vollrente erforderlich. Wie bisher auch, kann der Leistungsplan des Arbeitgebers aber weitere Voraussetzungen enthalten, wie beispielsweise das Erfüllen einer Wartezeit oder das tatsächliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Daran soll sich nichts ändern, sodass der bAV-Anspruch trotz Bezug einer Teilrente mangels Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis leerlaufen kann.
Die Neuregelung dient der weiteren Flexibilisierung bei Eintritt in den Ruhestand. Da seit 2023 Einkommen auf die vorgezogene gesetzliche Altersrente nicht mehr angerechnet wird, steigt die Zahl derjenigen, die ihre Arbeitszeit verringern und zusätzlich eine gesetzliche Teilrente beziehen und gleichzeitig eine bAV-Altersrente beanspruchen wollen.
Hier können Regelungslücken entstehen: Denn bei Fortsetzung der Tätigkeit kann trotz vorzeitigen bAV-Bezugs unverändert die Pflicht zum Ausbau von bAV-Anwartschaften im Raum stehen.
Für viele Leistungspläne steht außerdem die Frage im Raum, ob das Erfordernis des Ausscheidens beibehalten werden soll. Steuerlich notwendig ist das inzwischen für keinen Durchführungsweg mehr.
Diesbezüglich soll auch für den Durchführungsweg Pensionskasse ein Hindernis aus dem Weg geräumt werden. Dort kann künftig eine Altersrente trotz fortlaufenden Erwerbseinkommens bezogen werden, wenn das Erwerbseinkommen teilweise weggefallen ist oder eine gesetzliche Teilrente bezogen wird. Bisher verlangte § 232 Abs. 1 Nr. 2 VAG grundsätzlich den Wegfall von Erwerbseinkommen.
Arbeitgeber und Versorgungsträger können insoweit ihre Leistungspläne bzw. Satzungen anpassen. Ohne deren Initiative werden die vom Gesetzgeber vorgesehenen Erleichterungen großteils nicht wirken. Es ist also Geduld erforderlich.
Der Referentenentwurf sieht auch im Wertguthabenrecht eine wichtige Anpassung im Hinblick auf die Streichung der Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung vor.
Bislang ist es so, dass der Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Rente dafür sorgt, dass vorhandene Wertguthaben im Sinne des § 7c SGB IV von den Sozialversicherungsträgern als „Störfall“ abgerechnet werden.
Die jetzt geplanten gesetzlichen Änderungen sorgen dafür, dass Wertguthaben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze vom Arbeitnehmer (mit) verbraucht werden können.
Mit dieser zusätzlichen Flexibilisierung werden zum einen die Rentner, die im Erwerbsleben erworbenes Wertguthaben verbrauchen wollen, mit den Rentnern gleichgestellt, die parallel zur (auch vorgezogenen) gesetzlichen Rente mittlerweile unbegrenzt hinzuverdienen können. Zum anderen soll die Möglichkeit Verdienstausfälle auf verschiedenen Wegen auszugleichen, Beschäftigte verstärkt dazu bringen, länger im Erwerbsleben zu verbleiben als bisher.
In den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds bestand nach einer Beitragsfreistellung aufgrund von Elternzeit auch bisher schon ein Anspruch auf Fortsetzung des Vertrags zu den vorherigen Rechnungskonditionen. Nach § 212 VVG-E soll das Fortführungsrecht zu den Altkonditionen künftig nicht nur bei Elternzeit, sondern generell bei entgeltfreien Zeiten gelten (z. B. Bezug von Krankengeld, Sabbatical, Pflegezeit u. ä.), solange die Prämienzahlung innerhalb von drei Monaten ab Beendigung der entgeltfreien Zeit wieder einsetzt.
Die neuen Regeln würden für alle Beitragsfreistellungen gelten, die ab dem 01.07.2026 beginnen. Auch Bestandsverträge unterliegen dann den neuen Regelungen.
Unter anderem soll es für den Pensionsfonds künftig die Möglichkeit der Ratenzahlung geben. Es gibt noch diverse kleinere Änderungen, z. B. betreffend Verfahrungsfragen bei Durchführung der gesetzlichen Insolvenzsicherung, wo künftig digitale Kommunikation Standard werden soll (§ 9 BetrAVG-E).
Die Wunschliste der Verbände an den Gesetzgeber zum Entwurf im Jahr 2024 war groß. Die folgenden Punkte unter den bAV-Anliegen wurden auch im neuen Referentenentwurf nicht behandelt. Da die Bundesregierung die geplanten Änderungen schnell umsetzen möchte, ist wohl auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Berücksichtigung nicht zu erwarten:
Der Referentenentwurf befindet sich aktuell in der Verbändeanhörung und soll im Herbst durch das Kabinett beschlossen werden. Das sich anschließende Gesetzgebungsverfahren (parlamentarische Anhörung und Lesung im Bundestag sowie Einholung der erforderlichen Zustimmung des Bundesrats) dürfte Zeit in Anspruch nehmen. Die Regelungen zur vorzeitigen Inanspruchnahme und das Fortsetzungsrecht nach entgeltlosen Zeiten sollen am 01.07.2026 Inkrafttreten. Die Anpassung des Förderbetrags ist jedoch erst für den 01.01.2027 geplant. Die übrigen Änderungen sollen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes Gültigkeit erlangen.
Es ist positiv zu bewerten, dass die Bundesregierung Ihre Absicht die betriebliche Altersversorgung zu stärken und sie insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Geringverdienern zu verbreiten zügig angeht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bedient sich folgerichtig des Gesetzentwurfs der Vorgängerregierung. Daher bleibt es bei nur punktuellen Verbesserungen für das Sozialpartnermodell, das sich aber auch zukünftig nur mäßiger Attraktivität erfreuen dürfte, zumal die zwischenzeitlich gestiegenen Zinsen auf Arbeitnehmerseite Begehrlichkeiten für harte Garantien wecken dürften. Das Sozialpartnermodell kennt hingegen nur ein Garantieverbot.
Misst man den Referentenentwurf am selbstgesetzten Ziel, die betriebliche Altersversorgung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu verbreiten, so kann allein die geplante Verbesserung von § 100 EStG überzeugen. Faktisch hemmen dort nach wie vor die restriktiven Vorgaben zur Verteilung der Abschlusskosten eine stärkere Verbreitung. Leider sollen die Voraussetzungen für den Förderbetrag erst zum 01.01.2027 angepasst werden.
Die automatische Entgeltumwandlung („Opting-Out“) per Betriebsvereinbarung ist ein Fortschritt. Sie wird vor allem dort reibungslos funktionieren, wo Arbeitgeber einen spürbaren Anteil an der betrieblichen Altersversorgung mitfinanzieren (sog. Matching-Modelle) und ein „Rausoptieren“ unattraktiv ist. Leider fällt die Regelung zu restriktiv aus, so dass nur in wenigen Fällen ohne eine tarifvertragliche Vereinbarung ein Opting-Out-Modell umgesetzt werden kann. Teilweise Abhilfe kann hier weiterhin das einzelvertragliche „Opting-Out“ über den Arbeitsvertrag schaffen.
Die geplanten gesetzlichen Änderungen für mehr Flexibilität beim Übergang in den Ruhestand, bei entgeltfreien Zeiten oder zur Abfindung erfordern eine Anpassung bei den Informationsprozessen (z. B. Hinweis zur Drei-Monats-Frist nach Ende der entgeltfreien Zeit) wie auch von Satzungen und Versicherungsbedingungen. Eine Günstigerprüfung bei Abfindung von bAV-Anwartschaften in die Gesetzliche Rentenversicherung dürfte sich etablieren.
In jedem Fall sind Versorgungsordnungen an die gesetzlichen Änderungen anzupassen. Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.
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