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Wann müssen Kinder für Ihre Eltern zahlen?

Artikel aus dem Report "Wann müssen Kinder für ihre Eltern zahlen"

Erstellt

Juni 2017

Prüfung der Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Kindes

Auch wenn ein grundsätzlicher Unterhaltsanspruch eines Elternteiles gegen ein Kind besteht, sind keine Unterhaltszahlungen zu leisten, wenn es unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen dazu außerstande ist (§1603 BGB).

Um zu prüfen, ob ein Kind fähig ist, Unterhalt zu leisten, ermittelt der Sozialhilfeträger zunächst das bereinigte Nettoeinkommen des Kindes und stellt diesem einen individuellen Selbstbehalt gegenüber. Das bereinigte Nettoeinkommen wird ermittelt, indem zunächst zum Nettolohn (bei Selbstständigen zu den durchschnittlichen Einkünften) noch weitere Einkunftsarten hinzugerechnet werden. Zu diesen Einkunftsarten zählen z.B.:

  • Erträge aus Kapitalvermögen
  • Erträge aus Vermietung und Verpachtung
  • Steuerrückerstattungen
  • Wohnvorteil bei selbstgenutzter Immobilie

 

Das so ermittelte Nettoeinkommen wird in einem weiteren Schritt  um anerkannte monatliche Ausgaben bereinigt. Zu diesen Ausgaben gehören beispielsweise:

  • Zins- und Tilgungsleistungen für Verbindlichkeiten, wenn diese vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit der Eltern aufgenommen wurden
  • Wohnkosten, soweit sie 480 EUR für Alleinstehende bzw. 860 EUR für Ehegatten übersteigen
  • Vorrangige Unterhaltsverpflichtungen, z.B. für eigene Kinder 
  • Private Altersvorsorge bis zu 5 Prozent des Bruttolohnes, für nicht gesetzlich Rentenversicherte bis zu 25 Prozent
  • Berufsbedingte Aufwendungen (z.B. für Fahrtkosten)
  • Kosten für regelmäßige Besuche des pflegebedürftigen Elternteils

Das Ergebnis dieser Berechnung ist das sogenannte bereinigte Einkommen. Um die konkrete Unterhaltsverpflichtung zu ermitteln, wird von dem bereinigten Einkommen der individuelle Selbstbehalt des Kindes abgezogen.


Aktueller Selbstbehalt


Grundsätzlich wird den unterhaltspflichtigen Kindern ein Selbstbehalt zugestanden. Dieser Selbstbehalt ist einkommensabhängig und setzt sich aus dem Mindestselbstbehalt und einem individuellen Zuschlag zusammen. 

Seit dem 01.01.2015 beträgt der Mindestselbstbehalt 1.800 EUR und für den Ehepartner zusätzlich 1.440 EUR. Der Familienselbstbehalt beläuft sich also derzeit auf 3.240 EUR. Hinzu kommt ein individueller Zuschlag, der die Hälfte der Differenz zwischen dem Mindestselbstbehalt und dem bereinigten Nettoeinkommen der Kinder beträgt.


Vermögen des Kindes muss erst oberhalb eines Schonvermögens eingesetzt werden


Unterhaltspflichtige Kinder müssen grundsätzlich auch mit dem eigenen Vermögen für den Unterhalt ihrer Eltern einstehen. 

Ausgenommen hiervon ist das sogenannte Schonvermögen beim Elternunterhalt. Das Schonvermögen umfasst Werte, die von der Heranziehung zur Unterhaltspflicht verschont bleiben, um den Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen zu schützen und seine Altersvorsorge nicht zu gefährden. Die Berechnung des Schonvermögens ist immer auf den Einzelfall bezogen. 

Zum Schonvermögen gehören beispielsweise Rücklagen für Anschaffungen (z.B. neues Auto) und auch eine angemessene eigengenutzte Immobilie. 

Außerdem steht einem unterhaltspflichtigen Kind ein Schonvermögen für die Altersvorsorge in Höhe von fünf Prozent des aktuellen Bruttolohnes für alle Berufsmonate zu. Zusätzlich wird eine Verzinsung in Höhe von vier Prozent unterstellt. Dies hat der BGH in einem Urteil im Jahr 2006 entschieden (AZ XII ZR 98/04). So kommt beispielsweise ein 50-jähriger Angestellter, der seit seinem 30. Lebensjahr arbeitet und aktuell 3.000 EUR Brutto verdient, auf ein Schonvermögen für Altersvorsorge von rund 54.000 EUR.

Bei Selbstständigen, die keinen Anspruch auf eine gesetzliche Rente haben, wird ein Schonvermögen für Altersvorsorge von 25 Prozent ihrer durchschnittlichen Einkünfte, gerechnet auf das bisherige Berufsleben, anerkannt.


Haftung bei mehreren Kindern 


Haben die Eltern mehrere Kinder, haften diese anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Wenn beispielsweise die verbleibenden Pflegeheimkosten 1.200 EUR monatlich betragen und die Eltern drei Kinder haben, wobei das erste Kind 100 EUR, das zweite Kind 200 EUR und das dritte Kind 300 EUR leisten kann, fordert der Sozialhilfeträger diese Beträge auch ein. Die verbleibenden Kosten in Höhe von 600 EUR übernimmt der Sozialhilfeträger.

Wenn die ungedeckten Pflegeheimkosten geringer als der gemeinsame Leistungsbetrag der Kinder sind, dann müssen die Kinder entsprechend ihrer Haftungsquote zahlen. Die Haftungsquote ermittelt sich aus dem Verhältnis der Leistungsfähigkeit des Kindes zur gesamten Leistungsfähigkeit aller Kinder. Wenn man das oben genannte Beispiel betrachtet, ergibt sich für das erste Kind eine Haftungsquote von 1/6, für das zweite Kind von 1/3 und für das dritte Kind die Hälfte der Gesamtleistungsfähigkeit. 

Stockfoto Pflege Schild

Steuerliche Betrachtung des Pflegeunterhalts


Kinder können Aufwendungen für die Pflege ihrer Eltern steuerlich geltend machen, unabhängig davon, ob sie die Eltern freiwillig finanziell unterstützen oder der Sozialhilfeträger Leistungen verlangt.

Pflege-Pauschbetrag
Kinder, die ihre Eltern bei der Pflege zu Hause unterstützen, können einen Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 EUR jährlich beim Finanzamt geltend machen. Voraussetzungen für die Anerkennung der Pauschale sind die Pflegestufe III oder das Merkzeichen „H“ im Behindertenausweis und die zumindest teilweise eigenhändig durchgeführte Pflege durch die Kinder. 

Bekommt der Pflegebedürftige als Pflegeleistung das Pflegegeld und überlässt es seinen pflegenden Kindern zur freien Verfügung, dann steht diesen der Pflegepauschbetrag nicht zu. Es sei denn, es kann nachgewiesen werden, dass dieser Betrag ausschließlich für Pflegekosten bzw. die Versorgung des Pflegebedürftigen verwendet wird. 

Außergewöhnliche Belastung
Wenn die Voraussetzungen für den Pflege-Pauschbetrag nicht vorliegen, können die Kinder die Pflegeausgaben als außergewöhnliche Belastungen unbegrenzt steuerlich geltend machen. 
Das setzt allerdings voraus, dass die Eltern die Pflegekosten nicht eigenhändig begleichen können. Daher werden vorerst die Einkünfte des Pflegebedürftigen ermittelt. 

Des Weiteren müssen die Kinder eine zumutbare Belastung aus eigenen Mitteln zahlen, bevor sich die Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung steuermindernd auswirken. Die Höhe der zumutbaren Belastung ist von der Höhe des Einkommens, dem Familienstand und der Anzahl der Kinder abhängig. Allerdings ist es möglich, diese zumutbare Belastung als haushaltsnahe Dienstleistung zu verrechnen. 
Dafür müssen die Kinder die Pflegekosten jedoch direkt an den Leistungserbringer zahlen. Wer also vom Sozialhilfeträger aufgefordert wird, sich an den Pflegekosten zu beteiligen, sollte diese Leistungen nicht an das Amt, sondern z. B. direkt an den Pflegedienst überweisen. 

Ist ein Elternteil in einem Pflegeheim untergebracht, sind zusätzlich zu den Pflegeausgaben auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung als außergewöhnliche Belastung steuerlich ansetzbar. Für diesen Anspruch muss mindestens die Pflegestufe I anerkannt sein.

Grafik Empfänger zur Pflege Report
Anteil der Empfänger von „Hilfe zur Pflege“ in stationären Einrichtungen an Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen insgesamt

Tipp

Bei verheirateten unterhaltspflichtigen Kindern beeinflusst die Berechnung des Unterhaltes auch das Einkommen des Ehepartners. Daher sollten Sie sich bei Unterhaltsforderungen durch den Sozialhilfeträger von einem Fachanwalt für Sozial- oder Familienrecht beraten lassen.

Fazit

Im Falle der Pflegebedürftigkeit eines Elternteils besteht regelmäßig die Gefahr, dass bei unzureichendem Einkommen und Verzehr des gesamten Vermögens des Elternteils der Sozialhilfeträger die ungedeckten Pflegekosten übernehmen muss. Über den Sozialhilferegress kann der Sozialhilfeträger wiederum auf die unterhaltspflichtigen Kinder zurückgreifen und diese mit ihrem Einkommen und Vermögen an den Pflegekosten beteiligen. Um diese Gefahr zu minimieren lohnt es sich, über private Pflegeversicherungen einen zusätzlichen Schutz aufzubauen, der das Vermögen und Einkommen der Pflegebedürftigen und deren Kinder schützt. 
 

Erstellt: Juni 2017